Eine saubere Idee: Solidarische Mülltrennung
In Berlin-Mitte fordern weiße Eimer zum "Solidarecycling" auf. Flaschensammlern kann darin überflüssiges Leergut quasi auf dem Tablett serviert werden.
Es ist ein weißer Farbeimer. Sauber geputzt hängt er im Weinbergspark in Mitte an einer Laterne. Die Funktion des direkt daneben stehenden Abfalleimers ist allseits bekannt. Er quillt förmlich über. Sein weißes Pendant aber bedarf der Erklärung - und liefert sie zum Glück selbst: "Solidarecycling" steht darin. Vorne drauf reicht ein Handsymbol eine Dose an ein zweites Handsymbol weiter. Eine Aufforderung zur Mülltrennung der besonderen Art.
Als der damalige Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) 2003 für fast alle Getränkebehälter Pfand erließ, ging es um die Schonung der Umwelt. Ob das erreicht wurde, ist zweifelhaft. Mit Sicherheit aber hatte Trittins Reform soziale Auswirkungen. Flaschen- und Dosensammler gehören seither so sehr zum Stadtbild, dass Flaschen- und Dosenbenutzer im Falle der Faulheit ihr Leergut praktisch überall hinstellen können, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Denn irgendwer wird es wegräumen, weil es ein paar Cent Pfand dafür gibt. "Solidarecycling" verwandelt die Faulheit in einen bewussten Akt der Geldwertweitergabe. Die Sammler müssen das Leergut nicht mehr aus dem Abfall kramen, es wird ihnen quasi auf dem Tablett serviert. Eine saubere Idee.
Wer dahintersteckt, ist unbekannt. Die solidarischen Eimer wurden an mehreren Orten in Mitte gesichtet. Im Internet werden sie auf Seiten erwähnt, die die unzähligen Spielarten von Streetart dokumentieren. Der stadtbekannte "Sechsenmaler", den man manchmal mit seinen weißen Farbeimern durch Berlin radeln sieht, dementiert die Urheberschaft. Er habe nur einen der Solidareimer mit einer "6" verziert. Seine Streetart sei gewöhnlich viel haltbarer als an Laternen hängendes Plastik.
Neben der Vergänglichkeit hat "Solidarecycling" leider noch ein Problem. Wie andere Kunstwerke auch wird es missverstanden - und zur ganz normalen Abfallentsorgung benutzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl