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Eine neue Ära im EistanzVerbalkitsch für Kanada

Die neuen Eistanz-Olympiasieger Tessa Virtue und Scott Moir machen die Gastgeber glücklich – und beenden endgültig die Dominanz der russischen Eiskunstläufer.

Tessa Virtue und Scott Moir: Für die Kanadier sind sie die Stars der olympischen Winterspiele. Bild: ap

Auf Champions wie Tessa Virtue und Scott Moir hat Kanada gewartet. Ihr Foto zierte am Dienstag die Titelseiten der großen kanadischen Zeitungen: Die 20-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Partner sehen blendend aus, sie können wunderbar lächeln. Und sie sind nun die jüngsten Eistanz-Olympiasieger aller Zeiten, die ersten überhaupt, die aus Nordamerika kommen. Erst begeisterten sie die Zuschauer im Pacific Coliseum von Vancouver mit einer wunderbar leicht anmutenden Kür zur fünften Symphonie von Gustav Mahler. Sie zeigten akrobatische Hebungen, Pirouetten und Schrittkombinationen, später erwärmte Tessa Virtue dann auch noch mit perfektem Verbalkitsch die Herzen ihrer Landsleute: "Ich bin so stolz, Kanadierin zu sein", jubelte die dunkelhaarige Dame. "Ich widme diese Medaille dem ganzen Land." Scott Moir fügte hinzu: "Ein Traum ist wahr geworden, es ist der aufregendste und schönste Moment meines Lebens."

Schön ist auch die Geschichte des Paares: Schon seit 13 Jahren laufen die beiden jungen Leute aus Ontario, die im wahren Leben kein Paar sind, zusammen. Von Kindertagen an haben sich Virtue und Moir ganz dem Eistanz verschrieben und "viele Entbehrungen" auf sich genommen, wie Virtue erklärte: "Das macht diesen Erfolg umso süßer." 221,57 Punkte erhielten die Kanadier insgesamt für Pflichttanz, Originaltanz und die Kür. Die nordamerikanische Revolution machte das junge US-Paar Meryl Davis (22) und Charlie White (23) perfekt, das mit 215,74 Punkten vor den russischen Welt- und Europameistern Oksana Domnina (25) und Maxim Schabalin (28) Rang zwei belegte (207,64 Punkte). Vancouver wird damit zum kompletten Eiskunstlauf-Desaster für Russland, das hier bisher noch kein Gold gewonnen hat - und auch nicht gewinnen wird, da die Russen in die anstehende olympische Damenkonkurrenz keine Gold-Kandidatin schicken. Somit wird die ehemalige Großmacht zum ersten Mal seit 1960 keinen olympischen Eiskunstlauf-Sieger stellen.

Erst zum dritten Mal überhaupt kommen die Eistanz-Olympiasieger nicht aus Russland, respektive Sowjetunion. Über die Wertung konnten sich die Russen diesmal aber, anders als im Fall des nur mit Silber dekorierten Jewgeni Pluschenko, nicht ernsthaft beschweren. Die Welt des Eistanzes, der seit 1976 zu den Winterspielen gehört, hat sich grundlegend geändert. Durch das neue, seit 2005 gültige Wertungssystem, das jedes Element entsprechend seiner Schwierigkeit zensiert, ist mehr Transparenz und Athletik zumindest in die Wettbewerbe der Eistänzer gekommen. Die Namen der Sieger sind damit nicht mehr - wie in Zeiten des alten Wertungssystems - auf Jahre in Stein gemeißelt.

2006 in Turin stürzten die Paare noch reihenweise, da sie, um Punkte zu gewinnen, artistische Hebungen ins Programm genommen hatten, die sie noch nicht gut genug beherrschten. Stürze gab es diesmal nicht, denn die Paare haben trainiert - und sich weiterentwickelt. Die Kanadier zeigten die schwierigsten Elemente und waren auch tänzerisch stark. Sie erhielten sowohl für die Technik als auch für die Programmkomponenten die besten Noten. Die Amerikaner Davis und White waren den Olympiasiegern weitgehend ebenbürtig, tänzerisch stark und innovativ, auch sie haben großes Zukunftspotenzial. Russlands Toppaar überzeugte zwar durch seine Eleganz, wirkte aber etwas gehemmt. Maxim Schabalin schlägt sich mit Knieproblemen herum, was ihm anzumerken war. "Wir sind glücklich mit Bronze, aber natürlich haben wir uns mehr erhofft", sagte seine Partnerin Oksana Domnina.

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