Eine kommt, ein anderer geht

„Jobrotation“ wie in Dänemark: Betriebe schicken ihre Beschäftigten zur Fortbildung und stellen Arbeitslose als Stellvertreter ein  ■ Von Hannes Koch

Bis 1993 arbeitete Marion Unger im Büro eines Steuerberaters. Seitdem folgten nur noch eine Umschulung, kurzfristige Tätigkeiten und schließlich die Arbeitslosigkeit. Mit ihren 46 Jahren droht Unger das Schicksal vieler Jobsuchender mittleren Alters: endgültig aus dem Arbeitsleben aussortiert zu werden. Doch seit Anfang April sitzt sie am Schreibtisch einer Tischlerei in Weissensee, koordiniert Aufträge und gibt Bestellungen heraus. Den Arbeitsplatz verdankt Marion Unger einem neuen Programm der Arbeitsenatorin mit dem Namen „Jobrotation“.

Die eine kommt, der andere geht: Vertreten durch die neue Mitarbeiterin, kann Juniorchef Ronny Wagner von Juni bis September an einem Qualifizierungskurs der Handwerkskammer teilnehmen. Vier Tage pro Woche drückt er dann die Schulbank, um neue Kniffe in Sachen Marketing, Personalwesen und Vertragsrecht zu büffeln. Die Fortbildung soll ihm helfen, seinen Betrieb mit 18 Beschäftigten auch in Zukunft im Geschäft zu halten.

Das Modell „Jobrotation“ – es ist speziell zugeschnitten auf kleine und mittlere Unternehmen – stützt sich auf Erfahrungen aus Holland und Dänemark. Im Gegensatz zur Bundesrepublik ist es den beiden Ländern gelungen, ihre Arbeitslosigkeit auf rund sieben Prozent zu drücken. Unter der Idee des „lebenslangen Lernens“ werden dort Arbeitslose und Arbeitende in demselben Programm gleichzeitig gefördert. Jobsuchenden schlägt man eine Brücke in den offiziellen Arbeitsmarkt, dort Beschäftigte werden zeitlich parallel zur Fortbildung geschickt, damit sie ihre Stelle nicht verlieren.

Arbeitssenatorin Bergmann (SPD) und die Servicegesellschaft SPI haben das Modell nun nach Berlin geholt. Mit insgesamt fünf Millionen Mark aus Töpfen des Landes, des Arbeitsamtes, der EU und der Privatbetriebe sollen in den kommenden drei Jahren jeweils 120 Arbeitslose und ArbeitnehmerInnen qualifiziert werden – ein wichtiges Thema auch auf dem Kongreß „Innovation, Beschäftigung, Wachstum und Wettbewerb“, der gegenwärtig in Berlin stattfindet.

Zur Zeit sind 13 Betriebe am Programm beteiligt. Wenn das Konzept funktioniert, bieten sich Vorteile für alle Beteiligten. Tischlereigeschäftführer Wagner bekommt eine für ihn kostenlose, weil staatlich finanzierte Qualifizierung. Seine Ersatzfrau Marion Unger kostet ihn ebenfalls nichts, denn das Arbeitsamt bezahlt ihren Lohn. Und falls Unger später einen Anschlußjob findet, spart der Staat die Arbeitslosenunterstützung. In Dänemark werden angeblich bis zu 80 Prozent der ehemals Arbeitslosen nach der Stellvertretertätigkeit fest eingestellt.

Dieser Erfolg muß sich allerdings erst erweisen. Marion Unger: „Ich werde wohl nicht auf eine Vollzeitstelle übernommen.“ Doch durch die Berufspraxis, so hofft sie, steigen ihre Chancen, woanders Arbeit zu finden.