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Archiv-Artikel

Eine katholische Furie

Böses Regietheater? Schon vor der Premiere rauschte es im Blätterwald. Hans Neuenfels (Berliner Pseudo-Skandal Idomeneo) inszeniert „Bernarda Albas Haus“ von Lorca am Kölner Schauspielhaus

Bernardas pathologischer Wahn ist für Hans Neuenfels das Zentrum des Abends

VON REGINE MÜLLER

Hans Neuenfels ist jüngst unversehens ins grelle Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gezerrt worden: War seine Berliner „Idomeneo“-Produktion noch bei ihrer Premiere im Mai 2003 in den Feuilletons bloß routiniert abgearbeitet worden und nicht groß aufgefallen, bescherte ihr die Panik um eine angebliche Publikumsgefährdung mit anschließender Absetzung im letzten Herbst eine zweifelhafte Berühmtheit. Plötzlich war Neuenfels wieder Skandalregisseur, Blasphemiker und Aushängeschild des bösen Regietheaters. Dabei hat Neuenfels dergleichen längst hinter sich.

Dennoch rauschte es jetzt in Köln bereits vorab wieder mächtig, wegen seiner angekündigten Inszenierung von Garcia Lorcas „Bernarda Albas Haus“ am Schauspielhaus. Das Thema schien wieder nach Provokation, nach heikler Fundamentalismuskritik zu riechen: In einem andalusischen Dorf verordnet die dominante Herrin des Hauses (Bernarda) nach dem Tod ihres verhassten Gatten sich und ihren fünf lebens- und liebeshungrigen Töchtern eine achtjährige Trauerzeit. Strengster Katholizismus mit Zügen religiösen Wahns ist der Motor ihres Regiments, das rasch in die blutige Tragödie gegenseitiger Vernichtung führt. Eisig nimmt Bernarda am Ende den Tod ihrer Jüngsten zur Kenntnis. Sie sei unberührt gestorben, lässt sie triumphierend verkünden. Fundamentalismus kennt eben viele Gesichter.

In Köln gibt Elisabeth Trissenaar, die langjährige Lebensgefährtin von Neuenfels, die Bernarda. Nicht als fanatische Furie mit flackerndem Blick, sondern als großbürgerliche Dame mit divenhafter Noblesse, großer Attitüde, manierierter Geste und aufblitzender Ironie. Kaum ist der Gatte unter der Erde, zerhackt Bernarda seine Hälfte des ehelichen Betts und hängt ein Jesusbild an die Stelle seines Portraits. Später schleppt sie in einer der vielen stummen Szenen selbst ein Kreuz, liebkost Wundmale des Gekreuzigten, bekränzt sich mit dem Schleier der Braut Christi. Bernardas pathologischer Wahn ist für Neuenfels das Zentrum des Abends, er spielt weder mit politischen Implikationen – obwohl Lorca unmittelbar nach der Vollendung dieses letzten Werkes von den Falangisten ermordet wurde und die klaustrophobische Situation des Stücks oft als Metapher für die politische Lage gelesen wurde – noch mit sich anbietenden Aktualisierungen.

Selbst die vorgegebene räumliche Enge, die stickige Luft des lebendig Eingemauertseins zeigt Neuenfels nicht. Im Gegenteil, sein Bühnenbildner Christof Hetzer hat ihm eine Art metallenes Drehkreuz gebaut, das immer neue und doch immer gleiche Räume freigibt, Durchgänge öffnet, Türen und Klappen zufallen lässt. Hier lungern die Töchter herum, belauern, verfolgen sich und kontrollieren sich. Trissenaars gekonnte und raffinierte Künstlichkeit zwingt auch sie zu formalisierter, grotesker Karikatur: Anja Laïs‘ Adela ist hyperaktiv, Angustias, die unglückliche Älteste, bleibt bei Sandra Fehner recht einfältig, Oda Pretzschner als Martirio gibt sich beeindruckend verspannt. Dagmar Sachses Madgalena rettet sich in verhuschte Komik, während Agnes Mann als Amelia in rosa Dessous daherspaziert.

Einzig die grandiose Therese Dürrenberger als demente Großmutter im Nachthemd mit wirrem Haar bricht das Artifizielle mit geerdetem Spiel auf und findet schneidende Töne für barmherzigen Wahnsinn. Neuenfels hat das gesamte Geschehen perfekt durchchoreografiert und überlässt nichts dem Zufall. Jeder Blick sitzt, jeder Gang scheint gemeißelt, die Sätze peitschen scharf akzentuiert in den Raum. Ein gekonnter Theaterabend und nicht ein einziges Buh.

So, 25.Februar, 19:30 UhrInfos: 0221-22128400