: „Eine gewisse Doppelmoral“
Der „Bremer Antifaschist“, die Zeitung der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN-BDA), wird 25 Jahre alt. Ein Gespräch mit Redakteur Raimund Gaebelein über den Verfassungsschutz, die DVU und die Bremer Antifa
taz: Der „Bremer Antifaschist“ – ist das eine richtige Zeitung?
Raimund Gaebelein, Herausgeber: Ein monatliches Info-Blatt, herausgegeben von einer fünfköpfigen Redaktion.
Wer liest das?
Leute aus Kirchengemeinden, Lehrer, Antifas und Angehörige von NS-Verfolgten. Wir drucken 750 Exemplare, etwa die Hälfte geht an Abonnenten.
Diesen Monat wird das Blättchen 25 Jahre alt. Sind noch ein paar der Gründer dabei?
Außer mir niemand mehr. Die noch lebenden Widerstandskämpfer sind nicht in der gesundheitlichen Verfassung aktiv mitzuarbeiten. Aber es gibt sie. In Walle zum Beispiel lebt eine Sekretärin einer Bremer Widerstandszeitung, der „Wahrheit“. 1933 ist die Zeitung aufgeflogen. Die Zahl der Zeitzeugen nimmt natürlich schnell ab.
Es gibt aktive, junge Antifa-Gruppen in Bremen. Wie ist das Verhältnis zu ihnen?
Viele der jungen Aktivisten wollen sich nicht auf Jahre festlegen. Entsprechend lösen sich die Gruppen oft schnell wieder auf. Dennoch haben wir einen guten Austausch. Sie recherchieren intensiv in der Nazi-Szene. Darauf greifen wir gerne zurück. Umgekehrt wenden sie sich an uns, wenn es um geschichtliche Fragen geht.
Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen“ wird in allen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet – außer in Bremen. Warum?
Hier ist das politische Klima einfach etwas anders.
Haben Sie dennoch bisweilen das Problem, als verfassungsfeindlich zu gelten?
Ja. Wenn wir zum Beispiel in Schulen zum Thema Neofaschismus sprechen wollen, fragen sich Direktoren schon mal, ob sie das zulassen können.
Und was sagen Sie dann?
Dass der Kampf gegen Nazi-Propaganda und Nazi-Morde weitergeführt werden muss.
Das hilft?
Manche Leute lassen sich mit der Zeit überzeugen.
Bremen hat einen DVUler im Parlament sitzen. Der wird seit Jahren von allen Fraktionen isoliert. Gleichzeitig gibt es rechte Tendenzen bei den bürgerlichen Parteien, etwa in der Innenpolitik. Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
Man kann darin sicher eine gewisse Doppelmoral erkennen. Die Marschrichtung, die in der Innenpolitik vorgegeben wird, steht in einer Wechselwirkung zu den Nazis. Die sehen sich gern als Vollstrecker des Volkswillens, dort, wo der Staat nicht weit genug geht. Aber ich finde trotzdem gut, das keiner etwas mit Tittman zu tun haben will.
Studien bescheinigen rund einem Viertel der Deutschen ein rechtsradikales Weltbild. Wie passt das mit der breiten Ablehnung etwa des Heisenhofs in Dörverden zusammen?
Es gab dort im Zuge der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Nazis eine Entwicklung. Viele der Dorfbewohner haben ihre Ansichten geändert.
Neue Statistiken zufolge ist das Risiko, in Ostdeutschland Opfer von Nazi-Schlägern zu werden, vier bis acht mal größer als in Bremen. Ist der Neofaschismus hier harmloser?
Das ist ein Bild, das gern gestrickt wird, um das Feindbild des Kommunismus aufrecht zu erhalten, der für die vermeintliche höhere Faschismus-Neigung der Ostdeutschen verantwortlich gemacht wird. Solche Übergriffe treten aber auch im Westen auf.
Aber viel weniger.
Ich könnte mir vorstellen, dass unterschiedliche Zählweisen angewendet werden, um diesen Eindruck zu erwecken.
Was plant der Bremer VVN-BDA in nächster Zukunft?
Eine neue Ausstellung zum Bremer Widerstand in der NS-Zeit. Hier gibt es neue Forschungsergebnisse, die wir gerne präsentieren möchten. Interview: cja