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Archiv-Artikel

Eine gehörige Portion Muffensausen

Das erste Spiel nach dem Rausschmiss von Huub Stevens deutet Interimstrainer Andreas Thom in „einen Neuanfang“ um. Doch auf dem Platz sehen die Hertha-Profis beim 1:1 gegen Dortmund gewohnt alt aus: Ein Blackout reiht sich an den nächsten

von MARKUS VÖLKER

Vielleicht hätte Interimstrainer Andreas Thom sich nicht nur um „die Köppe“ der Spieler kümmern, sondern lieber den Knoten in ihren Beinen lösen sollen. Beim ersten Auftritt in der Post-Stevens-Ära im Dortmunder Westfalenstadion, aus dem die Herthaner immerhin einen Punkt (1:1) mitnahmen, offenbarte sich nicht etwa ein mentales Problem der gefallenen Profis, vielmehr waren sie Opfer ihrer grobmotorischen Spielweise.

Ein paar Beispiele hierfür: Da war der in der ersten halben Stunde omnipräsente Marcelinho nach einem schönen Doppelpass drauf und dran, allein vorm gegnerischen Torwart aufzutauchen und, aller Voraussicht nach, mit Bedacht und Innenristschuss einzunetzen, aber nein, aus dem Abseits tauchte der Spielverderber Artur Wichniarek auf, befüßelte den Ball und drosch das Leder in den Dortmunder Himmel. Der Referee signalisierte Abseits. Marcelinho konnte nur noch verwundert den Kopf schütteln über so viel Chancenvernichtung eines Mannes, der offensichtlich das gleiche Trikot trug wie er selbst, ein blauweißes.

Da war auch der belgische Nationalspieler Bart Goor, der aussichtsreich im Strafraum des BVB aufkreuzte; ihm hätte sich eine höchst lukrative Möglichkeit eröffnet, wenn, ja, wenn, oh vermaledeiter Konjunktiv, ihm nicht der Ball in schöner Regelmäßigkeit meterweit vom Schlappen abgeprallt wäre.

Doch das alles war nichts gegen die Blackouts von Nationalspieler Arne Friedrich, der seinen Torsteher mit kruden Aktionen verblüffte. Einmal versuchte er eine Kopfballrückgabe, aber derart lasch, dass diese auf dem Schädel des Dortmunders Gambino landete. Damit nicht genug, glaubte Arne Friedrich ein Eigentor erzielen zu müssen; nur ein geistesgegenwärtiger Reflex von Gabor Kiraly hielt Friedrich von seinem Vorhaben ab.

Andreas Thom verlebte also einen aufwühlenden Samstagnachmittag in Dortmund. Danach verriet die Übergangslösung, dass er schon gehöriges Muffensausen gehabt habe, weil er Amateurspiele vor einer Kulisse von 150 Leuten gewohnt sei, nicht aber Matches vor 77.000 Zuschauern. Zudem sei ihm nicht viel Zeit zum großartigen Intervenieren geblieben – in den zwei Trainingseinheiten, die er leiten durfte, sei nur lockeres Regenerieren angesagt gewesen.

Dass sein treuhänderisch verwaltetes Team nach dem 0:1 von Leandro (ein merkwürdiger Flatterschuss aus 25 Metern, der Kiraly überlopte) zurückkam, machte Thom froh. „In der Situation, in der wir uns momentan befinden, ist das Ergebnis in Ordnung. Dortmund hatte uns mit dem 1: 0 schon den Gnadenschuss versetzt. Dennoch ist uns das 1:1 gelungen, und mit ein bisschen Glück wäre auch noch mehr als ein Punkt drin gewesen.“ Für alle sei die Reise in den Ruhrpott „ein Neuanfang“ gewesen. Am kommenden Wochenende erwartet Hertha BSC Berlin den TSV 1860 München mit Coach Falko Götz, dem früheren Kompagnon von Thom. Eine passende Gelegeneit für Götz, eine Bewerbung in Berlin abzugeben.