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Eine endliche Geschichte

Wenn der neue maschinenlesbare Personalausweis am 1. April in der Bundesrepublik seine weltweite Premiere hat, hat er eine mehr als zehnjährige Geschichte hinter sich, in deren Verlauf er schon x–mal zum Sterben verurteilt schien. In den Zeiten der großen RAF– Hysterie beantragte die CDU/ CSU–Fraktion im März 1975 im Rahmen eines „Sicherheitsprogramms“ erstmals die Einführung von fälschungssicheren Kfz–Zeichen und Personalausweisen. Zwei Jahre später forderte dann die Innenministerkonferenz die Einführung eines fälschungssicheren Ausweises und die sozial– liberale Koalition brachte ein entsprechendes Gesetz auf den Weg. Von einer Maschinenlesbarkeit des neuen Ausweises war damals noch gar nicht die Rede. Sie rutschte erst klammheimlich auf dem langen Gesetzgebungsvorgang als eigentliches Ziel in die Diskussion hinein. Nachdem der Ausweis zunächst immer wieder an ganz banalen Kostengründen gescheitert war, sollte es am 1. November des Orwelljahres 1984 endlich soweit sein. Die Bundesdruckerei hatte schon die Maschinen angeworfen, da machten 1983 die Volkszählungsboykott–Bewegung und das Volkszählungsurteil einen Strich durch den inzwischen als Plastikkarte konzipierten Ausweis. Plötzlich meldeten auch seine ursprünglichen Befürworter Bedenken gegen die Maschinenlesbarkeit an. Die SPD, inzwischen in der Opposition , ließ ihr „Kind“ fallen, FDP–Justizminister Engelhard äußerte Zweifel an der Unbedenklichkeit und für eine Weile sah es 1984 so aus, als sei auch die CDU bereit, auf die Maschinenlesbarkeit zu verzichten. Man einigte sich in der Koalition auf eine Verschiebung des Einführungsdatums 1.11.84 und machte sich an die Überarbeitung des alten Gesetzentwurfs. Im Februar 1986 peitschte dann die konservativ–liberale Koalition im Zuge der sogenannten „Sicherheitsgesetze“ auch das Gesetz für den maschinenlesbaren Personalausweis durch, dem ab 1.1.88 auch der maschinenlesbare Reisepaß folgen soll. Nach wie vor stößt der Ausweis bei den Datenschützern von Bund und Ländern auf heftige Kritik. Ein „Instrument, das in seiner Ausprägung risikobehaftet ist“ und das gegen das „informationelle Selbstbestimmungsrecht“ verstößt, sieht Bundesdatenschutzbeauftragter Baumann in dem Ausweis. Bisher, so Baumann vor dem Innenausschuß, habe der Gesetzgeber nicht nachgewiesen, wozu die Maschinenlesbarkeit überhaupt erforderlich sei. Ein „Einfallstor für Entwicklungen, die aus der Sicht des Datenschutzes unerwünschte Folgen haben können“, nennt die baden– württembergische Datenschutzbeauftragte Leuze die neue Plastikkarte. Ein Schlüssel zu einer kaum kontrollierbaren Infrastruktur, so auch das Urteil der anderen Datenschützer. Kritik an dem neuen Ausweis kommt aber auch aus einer Ecke, von der man eigentlich laute Zustimmung erwarten sollte. Ein deutliches „Nein“ zur Maschinenlesbarkeit des Ausweises hat die Gewerkschaft der Polizei gesagt, da sich dadurch der „Geist des Umgehens zwischen Polizisten und Bürgern“ verändern würde. Unter kriminalistischen Gesichtspunkten könne man durchaus auf die Maschinenslesbarkeit verzichten , meint auch der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Ingo Herrmann. Und schlichtweg einen „Schildbürgerstreich“, der bei der Verbrechensbekämpfung oder Terroristenfahndung überhaupt nichts bringe, nennt Hamburgs Verfassungsschutz–Chef Lochte (CDU) den Ausweis.

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