: Eine Woche warten
Die Pendler in NRW haben in 2003 nach Angaben der Schlichtungsstelle Nahverkehr 38,5 Stunden mit Warten auf verspätete Züge vertan
VON ELMAR KOK
Hartmut Mehdorn, Chef der Deutschen Bundesbahn (DB) hat in diesen Tagen schlechte Post aus Nordrhein-Westfalen bekommen. Der Vorsitzende der Verbraucherzentrale NRW, Karl-Heinz Schaffartzik und NRW-Verkehrsminister Axel Horstmann (SPD) haben dem Bahn-Boss die Ergebnisse der Aktion „Pünktlichkeitsprotokoll für Pendler geschickt. Das bittere Ergebnis: Die Pendler verbrachten wegen Verspätungen und Ausfällen von Bahnen eine ganze Arbeitswoche von 38,5 Stunden in Zügen oder an Bahnsteigen.
Das, was die Schlichtungsstelle als Filiale der Verbraucherzentrale NRW über den Bahnverkehr an Rhein und Ruhr herausgefunden hat, dürfte Mehdorn nicht gefallen: 84 Prozent aller Beschwerden über den Nahverkehr in NRW gehen auf das Konto der Bahn, und das obwohl sie nur 38 Prozent (2002) aller Personenkilometer im Nahverkehr erbracht hat. Größte Aufreger der Nahverkehrskunden waren natürlich die Verspätungen und die schlechte Informationspolitik der Bahn. So gab die Bahn teilweise Informationen über die Mobilitätsgarantie des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr (VRR) nicht weiter. So wurden Kunden nicht darüber informiert, dass bei einer 20-minütigen Verspätung auch die Nutzung eines ICE ohne Zusatzfahrschein möglich ist. Den im Zug bezahlten Fahrpreis kann sich der Kunde anschließend von der DB erstatten lassen.
Die Schlichtungsstelle Nahverkehr konnte in dem Zusammenhang auch den spektakulärsten Fall des letzten Jahres lösen. Reisende aus Recklinghausen, deren Nahverkehrszug wiederholt nicht pünktlich kam, hatten in großer Zahl einen ICE bestiegen und waren alle zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgeltes wegen Schwarzfahrens aufgefordert worden. Die Schlichtungsstelle konnte die Deutsche Bahn dazu bewegen, auf die Strafe zu verzichten.
Das Vorgehen gegen so genannte Schwarzfahrer durch die Kontrolleure im Nahverkehr ist nach Angaben der Verbraucherorganisation wenig freundlich. Sie wirft den Kontrolleuren „fehlendes Fingerspitzengefühl“ beim Umgang mit Kunden ohne Fahrschein vor. Bei 96 Personen wurde die Strafe auf Betreiben der Schlichter reduziert oder ganz fallen gelassen. Das vermutete Erschleichen der Beförderung stellte sich meist als ein Versagen der Entwerter oder Fahrkartenautomaten heraus.
Aber auch menschliches Versagen oder mutwillige Drangsalierung brachten die Kunden im letzten Jahr gegen die Deutsche Bahn auf. So berichten die Verbraucherschützer über einen Fall aus Köln, bei dem ein Fahrgast binnen kürzester Zeit 40 Euro erhöhtes Beförderungsentgelt zahlen sollte. Die Kontrolleure fassten sein Faltrad nicht als Gepäckstück auf und monierten, dass der Kunde kein Zusatzticket für sein Rad gelöst habe. Die Deutsche Bahn nahm die Strafen zurück, kündigte aber an, zukünftig Falträder wie normale Räder behandeln zu wollen. Jetzt versucht die Bezirksregierung Köln durchzusetzen, dass Falträder als Reisegepäck behandelt werden.
Für alarmierend hält die Schlichtungsstelle das Beschwerdemanagement der DB. So wurden auf Beschwerden über den Nahverkehr allgemeine Stellungnahmen verschickt, ohne auf die Probleme der Kunden einzugehen. Bahnchef Mehdorn lehnte im letzten Jahr auf Anfrage der Pendler eine pauschale Entschädigung für Nahverkehrsverspätungen ab und verwies auf die Pünktlichkeitsgarantien der Verkehrsverbünde, ohne darauf einzugehen dass die Fahrgäste von der Bahn gar nicht bis unzureichend über diese Garantie informiert werden.