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Eine Tennisspielerin taucht abMarionette ihres Mentors

Michaëlla Krajicek war ein großes Tennistalent - bis sie ihr Leben völlig in die Hände ihres Trainers gelegt hat. Schon einige ihrer Kolleginnen haben so ein Abhängigkeitsverhältnis durchlebt.

Michaëlla Krajicek: Nicht mal ihr Halbbruder Richard kommt noch an sie heran. Bild: dpa

MELBOURNE taz Vor zwei Jahren verbarg sich Michaëlla Krajicek nach einer Niederlage in der ersten Runde der Australian Open am Ausgang des Spielerzentrums heulend hinter einem Auto. Sie war gerade 18 geworden, gehörte zu den aufstrebenden Teenagern des Tennis und hatte wegen ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen obendrein einen gewissen Bekanntheitsgrad; Michaëllas Halbbruder Richard ist der Wimbledonsieger des Jahres 96. Dass sie in dieser ersten Runde trotz großer Ambitionen gegen eine kaum bekannte Gegnerin aus Luxemburg vom Ranglistenplatz 159 verloren hatte, machte ihr damals schwer zu schaffen.

Diesmal fehlt Hollands beste Tennisspielerin, aber ihren Freunden und vor allem ihrer Familie ginge es besser, wenn sie sie heulend auf dem Parkplatz hinter der Rod Laver Arena vermuten könnten. Doch Michaëlla ist abgetaucht. Sie hat die Bande zu ihrer Familie gekappt, hat sich von sämtlichen Freunden losgesagt, hat die Verbindung zu ihrer Managementagentur Octagon gelöst und ist mit ihrem Coach in den USA verschwunden. Vor zwei Jahren hatte sie den Südafrikaner Allistair McCaw, 34, als Trainer engagiert, sehr zum Unwillen ihres Vaters Petr, von dem sie bis dahin betreut worden war.

Der Familie wurde bald klar, dass die Tochter dabei war, sich in eine gefährliche Liebesbeziehung zu McCaw zu stürzen. Der redete ihr ein, er halte jene Leute auf Abstand, die nicht das Beste mit ihr vorhätten - und darunter fielen offenbar alle, die ihr in irgendeiner Form nahe standen. In zwei Telefonaten teilte Michaëlla Krajicek den Eltern mit, sie wolle nichts mehr mit ihnen zu tun haben, und auch der ältere Bruder kam bald nicht mehr an sie heran. Anrufe auf ihrem Handy wurden von McCaw entgegengenommen, und im Moment weiß keiner, wo die beiden stecken. Der letzte Kontakt zwischen den Geschwistern war eine E-Mail, in der sie Richard bat, mit den Medien nicht über sie zu reden. Was der monatelang respektierte, in der vergangenen Woche der Tageszeitung De Telegraaf dann allerdings grünes Licht gab, über den Fall zu berichten.

Als Anna-Lena Grönefeld dieser Tage in Melbourne von den Problemen der jungen Kollegin erfuhr, fühlte sie sich an die eigene unselige Verstrickung mit ihrem spanischen Coach Rafael Font de Mora erinnert. Auch der hatte versucht, sie von Familie und Freunden zu isolieren, um Macht über sie zu gewinnen. Sie hatte Glück, sich gerade noch rechtzeitig aus der zwanghaften Umklammerung befreien zu können. Als sie den Mut fand, über diese Zeit zu reden, sagte sie: "Font de Mora hat mir ständig eingeredet, ohne ihn wäre ich nichts. Irgendwann hab ich das auch geglaubt. Ich habe nichts allein entschieden und nur noch wie eine Marionette funktioniert."

Die Schweizerin Patty Schnyder, mit der Grönefeld in Melbourne Doppel spielt, hatte vor Jahren mit einem deutschen Guru namens Rainer Harnecker Ähnliches erlebt. Der hatte sie als Trainer und Manager, als Lebenspartner, Fitnessguru und Ernährungsberater eine Zeit lang fest im Griff. Auch sie sagte sich damals von ihren Eltern los, und dieser Bruch hat bis heute Bestand. Schnyders Befreiung erschien seinerzeit in Gestalt eines anderen Deutschen, Rainer Hofmann, der zu ihrem Schutz engagiert worden war, in den sie sich verliebte und mit dem sie nun seit gut fünf Jahren verheiratet ist.

Wie die üble Geschichte mit Michaëlla Krajicek weitergehen wird, das weiß zurzeit keiner. Manon Bollegraf, ehemals selbst Tennisprofi, als Mentorin für die junge Kollegin tätig und als Chefin des Niederländischen Fed-Cup-Teams eine Person aus dem inneren Zirkel, hat wie alle anderen vergeblich versucht, Kontakt mit ihr aufzunehmen. Sie sagt: "Der Mann macht zu viel kaputt. Man kann nur hoffen, dass es schnell vorbeigeht und dass es dann nicht zu spät für ihre Karriere ist." Und vor allem nicht zu spät für ein ganz normales Leben.

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