Eine Schöne etwas abseits der Reisewege

■ Die Fördestadt Flensburg: Eine historische Altstadt, ein putziger kleiner Hafen mit „hyggeliger“ Atmosphäre und eine reizvolle Umgebung laden zu einem Kurzbesuch ein. Oder durchaus auch zu einem längerem Aufenthalt

Nach Dänemark fährt man mit dem Schiff: von Kiel nach Langeland. Oder mit der Kombination Bahn/Fähre: über Puttgarden. Oder über die Autobahn an Flensburg vorbei. Höchstens wenn man mit der Bahn Richtung Jütland fährt und unbedingt auf dem Festland bleiben will, kommt man immerhin durch Flensburg. Irgendwie schwierig: Zwar schreibt sich die Fördestadt selbst gerne eine „Brückenfunktion“ zu, tatsächlich aber leidet sie eher darunter, ganz am Rande zu liegen und kaum beachtet zu werden.

Zu Unrecht. Denn die über 700 Jahre alte Hafen- und Handelsstadt hat einiges zu bieten: Schließlich hatten Flensburgs Reeder und Kaufleute einst weitreichende internationale Verbindungen. Architektonisch haben diese sich in einer sehenswerten Altstadt niedergeschlagen, etliche Kaufmannshöfe aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind noch zu bewundern.

Ganz groß raus kamen die Flensburger (Kaufleute), als der dänische König ihnen das Privileg für den Rumhandel mit Westindien verlieh. Das war 1755, die Flensburger Flotte war größer als die der Hauptstadt Kopenhagen. Damals gehörte die Fördestadt zum dänischen „Gesamtstaat“: Seit dem Vertrag von Ripen von 1460 bis zum Jahre 1864 wurden die Herzogtümer Schleswig und Holstein in Personalunion vom dänischen König regiert.

Am Rande der Altstadt steht das Nordertor von 1592, Flensburgs Wahrzeichen. Gut erhaltene Stadttore sind ja in Norddeutschland eher eine Seltenheit; allerdings ist das repräsentative Nordertor zu Jahrhundertbeginn ein bißchen aufgemotzt worden. Drei nennenswerte Kirchen komplettieren die Altstadt: St. Marien, St. Nicolai und St. Johannis bildeten den Kern dreier Ortschaften, aus denen das historische Flensburg entstand.

Was aber wirklich eine Besonderheit Flensburgs ist: ein putziger kleiner Hafen, der aber immerhin noch ein richtiger Hafen ist mit entsprechender Atmosphäre, mit Traditionsseglern und dem alten „Salondampfer“ Alexandra, bei dem es sich um eines der letzten seegängigen, dampfbetriebenen Passagierschiffe handelt. Empfehlenswert auch: ein Spaziergang durch Altstadt und Toosbuystraße mit Aussicht auf Hafen und Förde und das bewaldete Ufer der dänischen Fördeseite.

Was es noch in Flensburg zu erleben gibt außer Altstadt und hyggeliger (ist dänisch und heißt so viel wie: „heimelig“) Atmosphäre: Das Städtische Museum zeigt die kunst- und kulturgeschichtliche Entwicklung dessen, was man hier „nördliches Grenzland“ nennt – von der Ur- und Frühgeschichte bis zu Emil Nolde. Das Schiffahrtsmuseum, untergebracht in einem alten Zollpackhaus, dokumentiert Handel und Schiffbau der Fördestadt seit dem Mittelalter: vor allem die große Zeit der Westindien-Segler und der (Grönland-)Walfänger.

Ein Museum oder eher eine Experimentierwerkstatt, um Naturphänomene und Technik besser zu verstehen, ist die Phänomenta am Nordertor; ebenfalls am Nordertor ist das Volksbad zu finden, ein selbstverwaltetes Kulturzentrum, in dem sich Umwelt- und Antifa-Gruppen und Arbeitslosen-Inis treffen, und in dem Filme zu sehen und Musik zu hören ist, die eben nur ein selbstverwaltetes Kulturzentrum bietet.

Noch zwei lohnende Ziele vor den Toren Flensburgs: In Glücksburg, wenige Kilometer außerhalb, ist das adrett in der Landschaft arrangierte Wasserschloß zu besichtigen. Der Palazzo wurde 1585 als Sitz der Herzöge von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg errichtet, die, außerordentlich fruchtbar, ganze Legionen von Nachwuchskönigen und -herzögen an europäische Fürstenhöfe auslieferten.

Und dann gibt es noch Unewatt. In dem 200-Seelen-Dorf bei Langballig, gerade mal zehn Kilometer von Flensburg entfernt, entsteht ein „Landschaftsmuseum“, ein bewohntes Museumsdorf sozusagen. Zum einen wohnen hier Menschen wie du und ich, und nebenan werden historische Gebäude restauriert; einige stammen aus Nachbarorten und werden hier wieder aufgebaut. In drei ersten „Museumsinseln“ wurden ein Fachwerkhallenhaus von 1626 sowie Scheune und Buttermühle eines repräsentativen Hofes der Jahrhundertwende wiederhergestellt.

Landwirtschaft und traditionelles Handwerk gibt es heute kaum noch, früher dagegen mehrere Genossenschaften - fürs Dampfdre-schen, für Fischerei und Milchverarbeitung. Außerdem eine Schmiede, Radmacher, Räuchereien, Backhäuser und natürlich Kaufmann und Gastwirtschaft. Das Museumsdorf ist der Versuch, einigem wieder Leben einzuhauchen.

Tip: hinfahren, ansehen, spazierengehen. Nicht zuletzt die Landschaft lohnt sich.

Johann Peter Nissen

Verkehrsverein für Flensburg und Umgebung, Speicherlinie 40, 24937 Flensburg, Telefon: 0461 / 23090.