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GASTKOMMENTAREine Revolution wie im Playback

■ Der Lenin-Denkmalsturz — kein Zeichen von Souveränität/ Ein Moment entscheidet über die Dramaturgie

Moderne Zeiten, andere Namen, neue Tempel: Der Aufbruch in schöne neue Welten ist immer mit Abschied, Verlassen, aber auch mit Abbruch als Aufräumen verbunden. Die alten Götzen werden geschliffen, die nächsten erhalten endlich ihr Himmelreich. Wie immer bei geschichtlichen Aktionen entscheidet ein Moment über die Dramaturgie und das Genre des Danach. Der Grat zwischen »historischem Augenblick« und den Mühen der Ebenen ist schmal.

Der 9.November 1989 und die folgenden Wochen haben das Lenin-Denkmal stehenlassen. Wie immer man das werten mag, ob als vertane Chance oder als die List der Vernunft im Volkszorn: Wer jetzt die heroische Geste des Denkmalsturzes als Historiendrama im Playback nachstellen will, vergreift sich unweigerlich im Rollenfach. Wer so zu spät kommt, dessen Pathos wirkt lächerlich oder peinlich. Die Frage, was mit dem Lenin-Denkmal und anderen Zeugnissen der DDR-Geschichte geschehen soll, ist längst keine vordringlich politische mehr. Oder sie ist es nur für diejenigen, die die Insignien ihrer neuen Macht ungestört zur Geltung kommen lassen wollen.

Den Blick zurück versperren oder ihn ins Leere laufen zu lassen und die Markierungen vergangener Irrtümer einfach auslöschen zu wollen, ist kein Zeichen von Souveränität. Wenn voreilig tabula rasa gemacht wird, drängt sich die Frage auf: Wer ist der Herr der Zeichen? Auf keinen Fall die, die es von sich glauben machen wollen. Die Trümmer des Lenin-Denkmals werden uns als ungerufene Geister immer wieder auf die Füße fallen und uns als Zauberlehrlinge des kollektiven Vergesssens enthüllen.

Die Formel »seid's gewesen!« erschließt sich, wenn überhaupt, nur als kollektiver Prozeß der Auseinandersetzung. Und der braucht Zeit und hat sich an den wirklich drängenden Problemen der Stadt zu orientieren. In solchen Entscheidungen dürfen sich die Politiker nicht allein lassen. Sonst sind sie zu schnell von allen guten Geistern verlassen. Stattdessen wäre es an der Zeit gewesen, durch die Beteiligung zum Beispiel von Künstlern, ästhetische, kultur- und architekturhistorische Kategorien zum Tragen zu bringen. Dabei wäre vielleicht mehr herausgekommen als eine teure Geste der Vergeblichkeit.

In Stein geschlagene Erinnerungen, die Produktion von Monumenten, sind Knoten der Geschichte: Merkstationen der vielen Irrfahrten von „trial and error“ im Labyrinth der Geschichte. Wir müssen uns auch dazu überwinden, uns der Irrtümer zu erinnern. In welcher Form auch immer. Thomas Krüger

Der Autor ist Senator für Jugend und Familie.

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