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Eine Polemik von Christopher Laumanns und Charlotte Niekamp über Bezeichnungen und ihre WirkungHören wir auf, uns „Aktivist*innen“ zu nennen!

Aktivist*innen sind Menschen mit reinem Gewissen und dreckigen Füßen. Verbissen widmen sie ihr Leben „der Sache“, statt einer richtigen Arbeit nachzugehen. Ihre Krätze bekämpfen sie mit veganem Teebaumöl, weshalb die Milben weiter im Wollpulli aus der Umsonstkiste kleben. Die Steigerungsform von Aktivist*innen lautet neuerdings Aktivisti, wobei unklar ist, ob das süß klingen oder ein italienischer Plural sein soll. Eins sind Aktivisti jedenfalls nicht: ernstzunehmen.

Keine Sorge – wir wissen, wir sind mehr als eine Selbstbezeichnung und die ihr anhaftenden Klischees. Wir wissen auch, dass manche von uns sich gut überlegt haben, warum sie sich „Aktivist*innen“ nennen. Trotzdem stellen wir uns die Frage: Welche Wirkung hat dieses Wort, und was sagt es darüber aus, wie wir als Bewegung agieren? In der Presse sind Aktivist*innen diejenigen, die zwar etwas Wichtiges zu sagen haben, aber auch stark übertreiben. Die mediale Rolle, die wir über die Selbstbezeichnung annehmen, entwertet, was wir sagen.

Und: „Aktivismus“ klingt nach etwas, das Menschen nicht mal eben tun können, sondern nach einer Lebensentscheidung. Aktiv sein, sich in politische Prozesse einbringen, können hingegen alle. Deshalb suchen wir keine coole neue Selbstbezeichnung. Weil wir so wieder ein „Wir“ und „die anderen“ schaffen.

Wenn wir uns permanent als vom Rest der Gesellschaft verschieden und irgendwie krasser markieren, bleiben „wir“ auch wenige. Statt eine Massenbewegung zu werden, in der sich unterschiedliche Menschen wiederfinden, um großen politischen Druck aufzubauen.

Benennen wir lieber Gemeinsamkeiten, auf denen neue Kontakte und breitere Bündnisse entstehen können – wo wir leben oder was wir (doch) arbeiten – und vor allem: sagen wir, was genau wir tun, wenn wir von „Aktivismus“ reden. Benennen wir, wofür wir kämpfen und warum wir das tun. „Ich bin Landwirtin und setze mich gegen Braunkohle ein, weil die Klimakrise unser aller Zugang zu Nahrung gefährdet“, schafft so viel mehr Beziehung als „Ich bin Klimaaktivistin“.

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