: Eine Pionier-Einrichtung
betr.: „Von der hohen Heilkunst zum offenen Haus“, taz vom 3. 8. 06
Merkwürdig sind der Anfang und das Ende des Artikels. Der Anfang – nämlich die Überschrift – suggeriert einen Gegensatz zwischen hoher Heilkunst und offenem Haus, den es niemals gegeben hat. Das Krankenhaus hat seit seinen Anfängen höchste medizinische Standards den Patienten zugänglich gemacht, unabhängig davon, welchen finanziellen oder weltanschaulichen Hintergrund sie hatten. Deshalb ist auch die Schlusspassage merkwürdig:
„‚Wir sind ein multikulturelles Krankenhaus‘, sagt Sarah Singer, Vorstand der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. ‚Unsere Aufgabe besteht in der modernen medizinischen Versorgung und Spezialisierung, insbesondere im Bereich der Magen-Darm-Erkrankungen, die allen Menschen angeboten wird.‘ Nach 250 Jahren ist das Jüdische Krankenhaus in der Normalität angekommen.“
Wie wird im Artikel begründet, dass das Krankenhaus nach 250 Jahren in der Normalität angekommen sei? Damit, dass es multikulturell ist und die verfügbaren modernsten Standards allen anbietet. Das hat es aber – im Gegensatz zu anderen konfessionellen und öffentlichen Krankenhäusern – schon vor über 200 Jahren gemacht. Wenn diese Standards aber jetzt selbstverständlich sind, dann haben doch die anderen nachgeholt und sind in der Normalität angekommen. Folglich war das jüdische Krankenhaus eine Pionier-Einrichtung.
Das scheint der Autor nicht erfasst zu haben. Schon in den 1890er-Jahren wurde neben dem Krankenhaus, das sich damals in der Auguststraße befand, eine Krankenpflegeschule eingerichtet, zehn Jahre bevor es in Preußen eine staatlich organisierte Ausbildung für Krankenpflege gab. IRIS WEISS, Berlin