piwik no script img

Eine Mordsgaudi

Für ihren Einsatz gegen Abgasbetrug und Raserei erntet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Hass und Hetze. Auf Facebook wird die Exekution ihres Geschäftsführers diskutiert. Ein dubioser Münchner Automobilverein befördert die Gewaltfantasien.

Radampel auf Halbmast: Wie Fridays for Future erntet auch die Deutsche Unwelthilfe (DUH) ­aggressiven Widerspruch. Fotos: Joachim E. Röttgers

Von Jürgen Lessat↓

Der virtuelle Pressetermin stieß auf außergewöhnliches Interesse. Doch nicht alle der Angemeldeten wollten die Argumente des Aktionsbündnisses für ein Verbot von Böllern und Raketen zum Jahreswechsel hören. Kaum hatte Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), mit seinem Statement begonnen, wonach der pyro­technische Silvesterspaß jedes Jahr zu hoher Feinstaubbelastung führt, Mil­lio­nen Tiere verängstigt, Städte und Dörfer vermüllt und für tausende Verletze sorgt, pöbelten einige vermeintliche Journalisten los. „Da haben sich Feuerwerkfans aggressiv zu Wort gemeldet“, kommentiert Resch.

Kaperung der Presseschalte ist neuester Höhepunkt einer Welle von Attacken, denen sich Organisationen aus der Umwelt- und Klimaschutzbewegung ausgesetzt sehen. Neben Fridays for Future steht vor allem die DUH im Visier von Hass und Hetze. Egal, ob der Verein ein Verbot von Billigfleisch- und Palmölimporten fordert, um den Regenwald vor weiterer Abholzung zu bewahren. Ob er für Mehrweg bei Getränken wirbt, um Müllberge und Ölverbrauch zu verringern. Oder ob er gegen die Ostsee-Pipeline Nordstream 2 klagt, weil durch sie jährlich 55 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas nach Deutschland fließen sollen – immer erntet die DUH aggressiven Widerspruch.

Als im September 2015 hierzulande der Abgasskandal aufflog und der Verein einen Bann schadstoffreicher Diesel in stickoxidbelasteten Städten einforderte, wurde sie sogar von der Automobilindustrie massiv bedroht und von Volkswagen sowie der Daimler AG über Monate per einstweiliger Verfügung an der Veröffentlichung von Schriftsätzen oder einer Bewertung der gefundenen Fakten behindert. Als Gerichte die Fahrverbotsklagen der DUH für immer mehr Städte bejahten, forderte der Ludwigsburger CDU-Bundestagsabgeordnete und Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger im Dezember 2018, dem Verein die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.

Ein Jahr darauf verlangte der damalige wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Joachim Pfeiffer, die staatliche Förderung für die DUH einzustellen sowie ihr neben der Gemeinnützigkeit auch die Klage­rechte abzuerkennen. Anlass für die Attacke des inzwischen wegen skandalträchtiger Neben­tätig­keiten aus der Politik ausgestiegenen Waiblinger CDU-Abgeordneten war der Antrag der DUH, Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und seinen Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) in Beugehaft zu nehmen. Damit sollte die Stuttgarter Landesregierung dazu gebracht werden, ein rechtskräftiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten für Euro-Diesel-5 in Stuttgart umzusetzen. „Wir fordern nur, dass sich Autohersteller und Regierungen an geltende Gesetze halten – und werden dafür angefeindet“, sagt Resch dazu.

Der Einsatz fürs Tempolimit provoziert den Volkszorn

Seither bricht eine regelrechte Wutwelle über die DUH herein. An Schärfe nahmen die Angriffe zu, als die DUH im Jahr 2019 eine gesellschaftliche Allianz für ein generelles Tempolimit schmiedete. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, erwähnt Resch. Als Echoraum gelten zwei Facebook-Gruppen, die zusammen rund 68.000 Mitglieder zählen. „Ganz überwiegend hasserfüllt wird dort unser Eintreten für eine Verkehrswende, den Stopp der SUV-Dienstwagenförderung, mehr Fahrradwege und eben für ein Tempolimit kommentiert“, so Resch.

Die Forderung nach einem Verbot der DUH oder nach „Inhaftierung“ der Mitarbeiter als „Terroristen“ seien noch die harmloseren Posts. „In mehreren hundert noch immer online stehenden Beiträgen geht es um die Frage, wie ich am besten zu stoppen bin, wie hoch die Kosten für einen Profikiller sind, mit welcher Muni­tion, welchem Kaliber und in welchem Winkel ich durch Schüsse in den Hinterkopf am besten exekutiert werden kann“, erzählt Resch.

Nach Kontext-Recherchen wurde „Stoppt die Deutsche Umwelthilfe“, mit über 47.000 Mitgliedern die größere der beiden Facebook-Gruppen, Anfang Dezember 2012 von Sascha S. aus Idar-Oberstein gegründet. Er ist Prokurist in einem Autohaus. Zusammen mit Arbeitskollege Patrick E., Filialleiter des Autohauses, administriert er die Gruppe. Ein weiterer Administrator ist Nicolai W., Ausbildungsleiter beim Textilmaschinenbauer Groz-Beckert in Albstadt. Unter den Abonnenten der Gruppe finden sich Aktivisten, die bereits in anderer Mission auftreten. Etwa der hessische Maschinenfabrikant Detlef Ahlborn, Vorstand des Windenergie-Verschwörervereins „Vernunftkraft“ (Kontext berichtete). Auch lokale Politprominenz ist mit von der Partie: Mit Rose von Stein hat sich die Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Stuttgarter Gemeinderat der Community angeschlossen.

Die Facebook-Gruppe „Gegen die Deutsche Umwelthilfe“, die derzeit über 20.000 Abonnenten verzeichnet, wird von der niedersächsischen Gemeinde Hatten aus verwaltet. Das Profil des privaten Betreibers offenbart dessen Sympathien für Hunde, Dieselmotoren, die AfD, Ex-US-Präsident Donald Trump und rechts­extreme QAnon-Verschwörungsthesen. Unterstützer bittet Daniel K., der sich in der Gruppe auch als Grünen-Hasser outet, um Überweisungen auf sein Paypal-Konto.

Rückenwind von Käfer-Mike und Fridays for Hubraum

„Die DUH und ich lassen uns diese Bedrohungen nicht länger gefallen“, betont Resch. In den vergangenen Wochen hat er 50 Strafanzeigen gestellt. Zudem geht er auch gegen Facebook vor, das dieses Treiben in seinem Netzwerk toleriert. Besonders häufig wird in diesen beiden Face­book-Gruppen auf den Automobilverein „Mobil in Deutschland“ aus München verwiesen. Dessen Gründer und Präsident Michael Haberland (54) und Vize Ralf Baumeister arbeiteten jahrelang für den japanischen Hersteller Nissan, ergeben Kontext-Recherchen.

„Wer sich näher mit dem Verein beschäftigt, findet Verschwörungstheorien und Fremdenfeindlichkeit“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ im November 2017 und verlieh dem Club das Attribut „dubios“. Haberland, der in 2020 vergeblich für die CSU bei der Münchner Stadtratswahl kandidierte, provoziert oft mit Statements und Aktionen, um sich und seinen Verein in die Schlagzeilen zu bringen. Im Februar 2019 organisierte er unter dem Motto „Schnauze voll!“ in München eine Demo gegen Fahrverbote, bei der auch AfD-Mitglieder als Redner in Erscheinung traten.

Im März dieses Jahres erklärte Haberland im „Focus“, mit seinem Verein ein „Gegenstück zur Deutschen Umwelt­hilfe“ sein zu wollen: „Wir brauchen kein Tempolimit, keine Euro 7-Norm, keine Pop-up-Radwege, keine Fahrverbote in Städten und auch sonst keine Schikanen gegen Autofahrer“, verbreitete Haberland mobile Steinzeitthesen. Zugleich gründete er eine „Allianz gegen Tempolimit“, die mit Fake-Argumenten polemisiert. Unterstützt wird diese Allianz neben der CSU auch von der nichtöffentlichen Facebook-Gruppe „Fridays for Hubraum“, in der sich rund 500.000 klimaschutzkritische Mobilisten tummeln.

Regelmäßig kurvt Haberland mit einer Youtube-Videokolumne „Mike macht mobil“ (MMM) in einem Uralt-Käfer durchs Bild und tut seine Meinung kund in abgasträchtigen Rundfahrten, zu denen auch schon Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zugestiegen ist. In einem MMM-“Bundestagswahl SPECIAL“ warnte Haberland zuletzt vor Rot-Grün-Rot als „schlimmstes Ergebnis“ für Autofahrer. Auch die Deutsche Umwelthilfe bekam in dieser Ausgabe ihr Fett weg. „Die wollen ja nur die schnelle Mark machen“, kommentierte er die Klima­klagen der DUH, die Daimler und BMW zu einem Verbrenner-Ausstieg bringen sollen. In Branchenkreisen wirft Haberlands Verhalten längst Fragen auf. Seinen Verein gründete er 1992 als Verkehrsverein „Mobil in München“.

Zu den Werbekunden zählen Audi, BMW und Mercedes

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, hat Baden-Württemberg verklagt. Hier bei der Urteilsverkündung 2017.

Nach Kontext-Recherchen firmieren mehrere Unternehmen von Haberland und Vize Baumeister unter derselben Postadresse wie „Mobil in Deutschland“. Zu den Firmen des Clubpräsidenten zählt „SH-Events GmbH“, die im Pandemiejahr eine Online-„Wiesn“ anbot. Teilnehmer bekamen Bierkrug, Weißwurst und Brezen-Teig per Päckchen geliefert. „Eine Mordsgaudi“, meinte Haberland im „Spiegel“ dazu.

Weniger lustig ist, dass SH-Events nach Kontext-Recherchen im Geschäftsjahr 2019 Verbindlichkeiten in sechsstelliger Höhe hatte. Eine weitere Haberland-Firma ist die „SHare m3 GmbH“. Sie betreibt das Internet-Portal anti-bussgeld.de, über das Provisionen von Rechtsanwälten fließen dürften. Fast 45.000 Euro sammelte Haberland über die Crowdfunding-Aktion „Erhalt der automobilen Mobilität in Deutschland. Für alle, die ihr Auto lieben!“, die er in diesem Frühjahr initiierte.

„Das Geld wird für soziale und mediale Reichweite, für Kommunikation über Aktivitäten, Veranstaltungen und Entwicklungen sowie ggf. rechtliche Maßnahmen genutzt“, versprach Haberland blumig. Eine Nachfrage dazu blieb unbeantwortet.

Die ergiebigste Geldquelle Haberlands dürfte wohl die Vereinspublikation „Mobil“ sein, die seine Steinzeitthesen wortgenau verbreitet. Sie erscheint dreimal pro Jahr in einer Auflage von angeblich 300.000 Exemplaren. Während Konkurrenz-Magazine wie die ADAC-Motorwelt unter Anzeigenschwund leiden, buchen Autohersteller und Ölkonzerne auffallend häufig ganze Seiten für Werbung in „Mobil“. „Der Verein ist ein Kampfverband der Automobilindustrie“, vermutet DUH-Geschäftsführer Resch deshalb.

Kontext hat Mercedes-Benz, Audi und BMW angefragt, die in „Mobil“-Ausgaben inserierten, wie sich dies mit ihren Bekenntnissen zur nachhaltige Mobilität verträgt. Die Audi AG antwortete: „Wir können bestätigen, dass wir vereinzelt Anzeigen im Magazin ‚Mobil in Deutschland‘ platziert haben. In Einzelfällen kann es dazu kommen, dass Handlungen der Werbepartner nicht im Einklang mit unser Unternehmenshaltung sind. Aus diesem Grund nehmen wir gerne Hinweise entgegen und nehmen diese zum Anlass für eine erneute, kritische Prüfung.“ Anzeigen­schal­tungen erfolgten grundsätzlich nach festgelegten Kriterien, wie „Auflage/Reichweite, Zielgruppen (z. B. B2B oder B2C), Wirtschaftlichkeit/TAP (Tausend-Auflagen-Planung), Distributionskanäle, Ausschluss von Plattformen und Kanälen mit extremistischen, sexistischen oder kriminellen Inhalte, etc.“, teilte Mercedes-Benz mit. Über Anzeigen hinausgehende weitere Vertragsbeziehungen mit beziehungsweise Verbindungen zum Verein „Mobil in Deutschland“ habe man nicht.

Vereinspräsident und Unternehmer Michael Haberland ignorierte eine ausführliche Kontext-Anfrage.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen