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Archiv-Artikel

Eine Million Überstunden dank Castor

Tausende PolizistInnen werden jährlich ins Wendland gekarrt, um die Castoren auf ihrem letzten Weg zu sichern. In einer Musterklage der Polizeigewerkschaft soll es jetzt um die Abgeltung von etwa einer Million Überstunden gehen

Wenn im November alljährlich die Castor-Transporte ins niedersächsische Gorleben rollen, herrscht im Wendland Ausnahmezustand. Erklärtes Ziel der Castor-GegnerInnen war es stets, keine Konfrontation mit der Staatsgewalt zu suchen, sondern durch zivilen Ungehorsam die Transporte für die Atomlobby so teuer wie möglich zu machen.

Schützenhilfe könnte nun ausgerechnet durch die Polizeigewerkschaft kommen. Sie hat sich mit dem niedersächsischen Innenministerium auf eine Musterklage verständigt, in der es um die Abgeltung von etwa einer Million Überstunden geht.

Tausende PolizistInnen werden Jahr für Jahr ins Wendland gekarrt, um die strahlenden Metall-Boxen auf ihrem letzten Weg zu sichern. Für 6.000 niedersächsische PolizeibeamtInnen ein Einsatz rund um die Uhr. „Einige Kollegen sind drei bis vier Tage dort, andere über eine Woche“, sagt Reiner Fischer von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Niedersachsen in Hannover. Die Polizisten werden in leeren Turnhallen, Baracken oder in Container-Unterkünften untergebracht. „Sauerei“, monierte mehrfach der GdP-Landesvorsitzende Bernhard Witthaut. Selbst in den Container-Dörfern sind die BeamtInnen pro Box auf Liegen zur dritt untergebracht, das vierte Bett wird zur Ablage der Ausrüstung benötigt. Die Unterkünfte sind lediglich provisorisch abgeschirmt. „Wenn eine Hundertschaft nachts ausrückt, ist für die andere an Schlaf nicht mehr zu denken“, sagt Fischer.

„Zwischen 1997 – der Wiederaufnahme der gestoppten Atommülltransporte – und 2004 wurde der strapaziöse Dienst stets als Arbeitszeit vergütet. 2005 kam nun CDU-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) auf die Idee, den Einsatz als eine Art Wochenendausflug zu bewerten und die einsatzfreien Zeiten neu zu deklarieren. Die Männer und Frauen in Uniform sollten für die Zeit, in der sie vielleicht in der Koje liegen oder nur in Bereitschaft rumgammeln müssen, keine vollen Bezüge, sondern nur noch 25 Prozent als Freizeitausgleich angerechnet bekommen. Was nach dem Ärzteurteil des Europäischen Gerichtshof unzulässig ist. Das besagt nämlich, wenn sich jemand in Bereitschaft vor Ort am Arbeitsplatz befinden muss, ist dies als volle Arbeitszeit anzurechnen.

Nunmehr haben sich GdP und Ministerium darauf geeinigt, dies in einem Musterprozess vorm Lüneburger Oberverwaltungsgericht klären zu lassen und schlossen eigens eine Vereinbarung. „Mit der vorliegenden Vereinbarung wird das zukünftige Ergebnis des Lüneburger Musterprozesses auf alle im Castor -Einsatz befindlich gewesenen Beamtinnen und Beamten übertragen“, sagt Witthaut: „Diese Vereinbarung stellt nicht nur eine Rechtssicherheit für die Einsatzkräfte dar, sondern entlastet auch die Verwaltungsgerichte, die sonst mit Tausenden Klagen zugeschüttet worden wären.“ Kai von Appen