: Eine Hörspielwelt jenseits von gut und böse
Klassiker wie „Benjamin Blümchen“ und „Bibi Blocksberg“ prägen die politische Sozialisation von Kindern mit bedenklichen Stereotypen
Diese Typen im Rathaus denken bei ihrer Politik nur an die eigenen Interessen. In der Wirtschaft ist es auch nicht besser, die wollen sich alle bloß bereichern.
Solche und andere Weltbilder werden früh geprägt. Schon im Alter bis zu 13 Jahren entwickeln Kindern eine politische Grundeinstellung. Vor allem die Familie beeinflusst spätere Verhaltensmuster, aber auch die Medien tun das. Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg, die seit 1977 und 1980 in Hörspielen, im Fernsehen und Kino zu Stars geworden sind, haben mehrere Generationen von Kindern begeistert – und teilweise auch politisch geprägt.
„In den Geschichten beider Figuren werden häufig explizit politische Inhalte zum Thema gemacht“, sagt Gerd Strohmeier, der den Einfluss dieser Serien auf die politische Sozialisation von Kindern untersucht hat. Einige Grundstrukturen ähneln sich in beiden Fällen: Die Hauptfiguren sind nicht nur allgemein „die Guten“, sie agieren häufig im „Interesse aller Bürger“. Politik spielt in vielen Geschichten eine zentrale Rolle. Einziger politischer Repräsentant ist in der Regel „der Bürgermeister“. Er ist der Gegenspieler, grundsätzlich nicht am Wohl der Bürger, sondern an seinem eigenen Wohl interessiert.
„Der Haken bei diesen Darstellungen ist, dass generell Stereotype bedient werden“, kritisiert der Politikwissenschaftler. So wie der Bürgermeister immer egoistisch agiert, sind auch Figuren aus der Wirtschaft (Herr Schmeichler, Ulrich Umsatz) prinzipiell negativ charakterisiert. Sie heucheln, lügen, betrügen. Vertreter der Polizei wiederum sind inkompetent und verhaftungswütig. „In Geschichten für Kinder ist es schwierig, auszudifferenzieren“, erläutert Strohmeier. „Kinder neigen zu eindeutigen Positionen und klarer Aufteilung zwischen Gut und Böse.“ Das an sich ist noch kein Problem. Doch bei „Benjamin Blümchen“ und „Bibi Blocksberg“ werden die Repräsentanten bestimmter politischer Gruppen – Politik, Polizei, Wirtschaft – in jeder Geschichte mit den gleichen Attributen belegt.
Auf der anderen Seite stehen der Elefant und die Hexe, die nach Kräften „Gutes“ tun: Anstelle einer Autobahn wird so ein Freizeitpark gebaut oder der Dienstwagen des Bürgermeisters durch ein Dienstrad ersetzt. Die „richtigen“ politischen Positionen sind klar definiert. „Sie sind unter anderem ökologisch, postmaterialistisch, basisdemokratisch, kritisch, zivilcouragiert, pazifistisch“, sagt Strohmeier. „Kurz: linksliberal bis linksalternativ.“
Dazu passen allerdings nicht die Wege, auf denen diese Politik durchgesetzt wird. Werden etwa die Vorhaben des Bürgermeisters durchkreuzt, entscheidet nicht der Stadtrat über den neuen Kurs. Das Stadtoberhaupt reißt auf Druck „der öffentlichen Meinung“ das Ruder herum. Und wenn Benjamin Blümchen oder Bibi Blocksberg Politik machen, handelt es sich selbstverständlich um gute Sachen. Demokratische Willensbildung findet nicht statt.
„Schon mit einigen Pinselstrichen ließen sich diese Defizite in den Geschichten beheben“, betont Strohmeier. Eltern rät er: „Wichtig ist vor allem, mit den Kindern über ihre Eindrücke aus den Geschichten zu sprechen.“ So haben Eltern die Möglichkeit, ihren Teil zur politischen Sozialisation beizutragen. Politische Inhalte sind dabei nur ein Aspekt. Vor allem zwischenmenschliche und politische Auseinandersetzungen wollen erlernt werden: Selber mitmischen, aber auch andere mitmischen lassen. Wer später auf dem Standpunkt steht, dass „die da oben sowieso machen, was sie wollen“ oder sich „den starken Mann“ herbeisehnt, hat auf dem Weg zum mündigen Staatsbürger noch viel vor sich. LARS KLAASSEN