■ Interview: „Eine Frage des Bewußtseins“
taz: Immer mehr PatientInnen wählen die ambulante Operation, weil sie billiger ist und man nicht in der Klinik bleiben muß. Was bedeutet das für die Krankenhäuser?
Dr. Claus Skalicky, Chefarzt des Krankenhauses Links der Weser: Ob man ambulant oder zeitlich verkürzt behandelt, betrifft in einer Klinik unserer Größenordnung höchstens 10 Prozent der Indikationen, die bisher stationär durchgeführt wurden.
Was kann ambulant behandelt werden?
Skalicky: Kleine Tumoren, akute Hämorrhoiden, Leistenoperationen bei Kindern – bei Erwachsenen gibt es da Einschränkungen. Von den Frischoperierten, die ich befragt habe, war niemand bereit, am selben Tag nach Hause zu gehen. Außerdem gehören kleine unfallchirurgische Eingriffe, Sprunggelenkverletzungen und Eingriffe am Kniegelenk zum ambulanten Spektrum.
Wo liegen medizinische Beschränkungen bei ambulanten Operationen?
Skalicky: Vor allem in der Betreuung rund um die Operation. Bei der Gallenblase ist das operative Handling bestechend, schon abends ist der Patient beschwerdefrei. Bei einer Nachblutung allerdings kann es innerhalb einer halben Stunde zum Kollaps kommen. Ein fachfremder Notarzt weiß ja nicht, was zu bagatellisieren ist. Die Nachsorge muß in der Hand des Operateurs liegen oder von jemandem durchgeführt werden, der die Operation gut kennt.
Ab wann werden Sie ambulant operieren?
Claus A.Thielbar, Verwaltungsdirektor: Ich schätze, ab Mitte des Jahres, sobald die Vergütung mit den Kassen geklärt ist. Wir erarbeiten die Voraussetzungen im Hause. Die reichen von der räumlichen Organisation bis hin zu Standardprogrammen dafür, wie ambulante Patienten betreut werden .
Spüren sie schon einen Rückgang an Operationen dort, wo außerhalb des Krankenhauses ambulant operiert wird?
Skalicky: Ja, gerade bei Kniegelenkoperationen. Zu uns kommen nun vor allem Patienten mit erhöhten Begleitrisiken, wie Trombosegefahr oder Herzrisiko.
Was bedeutet das für die Ausbildung der Ärzte?
Skalicky: Bestimmte Eingriffe würden uns schon fehlen. Nur ist das nicht der Hauptgrund, warum wir ambulant aktiv werden. Wir wissen: Je kürzer der Eingriff und der Krankenhausaufenthalt, desto geringer das Risiko eines Infektes. Ich bin mir sicher, wenn draußen mehr Eingriffe stattfinden, wird die Zahl der Komplikationen zunehmen.
Was müssen PatientInnen bedenken?
Skalicky: Ob sie sich für die Praxis oder die Klinik entscheiden, ist eine Frage des Sicher-heitsbewußtseins. Patienten mit Risiko sollten sich dringend von einem Internisten beraten lassen.
Thielbar: Als Patient würde ich mir überlegen, wie ich anschließend betreut werde. Ambulantes Operieren geht ja nur in enger Zusammenarbeit zwischen operierendem Arzt und Hausarzt. Auch im Krankenhaus muß die Organisation schlanker werden, im ambulanten Bereich werden wir den hohen Standard sicher nicht halten können.
Die Ambulanten sagen von sich, daß sie klinischen Standard halten.
Skalicky: Die Frage ist, wie sie auf unvorhergesehene Risiken sofort reagieren können. Der Krankentransport muß ja erstmal kommen. Wenn das hier passiert, gibt's ein Stichwort und alle rennen mit der Notfallausrüstung zusammen. Nach drei Minuten kann man lebensrettende Maßnahmen einleiten. Das geht bei dieser Diskussion unter, weil man es statistisch nicht erfassen kann, nur individuell. Erst wenn es die eigene Mutter betrifft, wird aufgerechnet.
Sind die Ambulanten leichtsinniger?
Thielbar: Im Gegenteil, der Niedergelassene ist ein freier Unternehmer. Sein Ruf ist ganz schnell zerstört.
Fragen: ede
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