■ Eine Ausstellung nebst Katalog zur Geschichte des Frauenstudiums in Bayern: Stieftöchter der Alma mater
Annette Kolb in München, Anno 1902: „Auf Anraten des Herrn Professor Furtwängler erlaubt sich Unterzeichnete an das Kgl. Staatsministerium die ergebenste Bitte zu stellen, derselben das Anhören der Vorlesungen des genannten Herrn Professors in der Kgl. Glyptothek, gestatten zu wollen.“
Daraus wurde nichts.
Eine erläuternde Absage erschien dem Kgl. Ministerium höchst unnötig. Hatte doch die oberflächlichste Begründung – die im deutschen Geistesleben nicht selten die tiefste ist –, warum das Frauenstudium ein „gemeingefährlicher Unfug“ sei, die Neue Bayerische Landeszeitung zwei Jahre zuvor schon gegeben: „Die Männer haben ohnehin unter sich genug oder schon zu viel Konkurrenz, also können sie die weibliche Konkurrenz nicht mehr brauchen.“
Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber es gehört zum Geschäft des Wissens, daß es sich gegen die Einsicht immunisiert, Geschäft zu sein – wohl wissend, daß der Mythos weltenferner Gelehrsamkeit die Autonomie der Macht befestigt. So ist die Geschichte des Frauenstudiums in Deutschland ein Lehrstück materialistischer Geschichtsschreibung: das Zusammenwirken objektiver Zulassungs- und Ausschließungsgründe mit dem jeweilig passenden ideologischen Überbau zeigt aufs schönste, wie Geist und Macht in inniger Umarmung sich befinden.
An der Münchner Universität hat eine Arbeitsgruppe mit der Frauenbeauftragten Hadumod Bußmann eine Ausstellung zu „90 Jahren Frauenstudium in Bayern“ zusammengestellt, die diese Art von Geschichtsschreibung idealtypisch verwirklicht. Sowohl systematisch als auch chronologisch werden hier die Verschränkungen zwischen Wirtschaftskrisen und Kriegs- und Nachkriegserfordernissen einerseits, gesellschaftlichen Veränderungen andererseits – und schließlich ideologischen Zuarbeiten dargestellt. Daß die Begründungsarchitektur frauenfeindlichen Denkens schwindelerregend ist – Weininger und Möbius sind ja nur Beispiele –, war bekannt. Welche hübschen, geradezu Gaudi- reifen Verformungen des männlichen Geistes sich aber am Gebäude der deutschen Universität außerdem ablagerten, ist hier mit humoristischem Gewinn zu besichtigen: für die eine Studentin wurde ein Kasten gebaut, um sie den Blicken der Kommilitonen zu entziehen, die andere wurde hinter einen Vorhang gesetzt, die dritte schließlich mußte ihre anatomischen Studien im Ausland betreiben, weil dem zarten Gemüte die fleischliche Wahrheit nicht zumutbar war...
Neben solcherlei Skurrilitäten widmet sich die Ausstellung aber auch jener „Diskontinuität“, die zu der noch immer herrschenden Kontinuität geführt hat: die Tilgung des Denkens durch das nationalsozialistische Deutschland, das an den jüdischen Akademikerinnen seine Vertreibungs- und Vernichtungsarbeit mit totalitärer Gründlichkeit vollzog.
Namen wie Hannah Arendt, Selma Stern-Täubler, Eva Fiesel, Margarete Susman repräsentieren Formen leidenschaftlicher Intellektualität, die aus den deutschen Universitäten bis heute verschwunden sind. Daß auch die Universität München die Zwangsexmatrikulation der Vertriebenen – sofern sie überlebten – in den vergangenen 48 Jahren nie wieder aufhob, es nicht einmal anbot, kann nicht überraschen und erschreckt doch. Ob sie die Ausstellung – außer durch Zuteilung eines Raums – nicht unterstützt hat, weil ihre Ergebnisse ein allzu helles Licht auf die trübe Tradition dieses Ortes wirft? Und weil es nach einem Rundgang entschieden schwerer fällt, dem Frauenanteil von 3 Prozent der Lehrstühle eine gewisse, keineswegs zufällige Kontinuität abzuerkennen? ES
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