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Archiv-Artikel

Einblick (471)

Anselm Franke, Kurator

ZUR PERSON

■ Anselm Franke, geboren 1978 in Heiligenberg, Kurator und Autor. Seit 2013 Leiter der Abteilung Bildende Kunst und Film im HKW Berlin. Bis 2006 Kurator an den KW Berlin, davor Assistenz bei Schlingensief und Volksbühne bis 2001, hat auch Festivals am HAU kuratiert und internationale Ausstellungen wie die Manifesta im Jahr 2008 und letztes Jahr die Taipei-Biennale. Die Ausstellung Animismus war schon 2012 im HKW zu sehen, nach Stationen in Antwerpen, Bern, Wien und New York, und wird noch dieses Jahr in Shenzhen in China und in Seoul in Korea gezeigt.

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie/Dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum? Anselm Franke: Die beiden letzten Ausstellungen, für die ich mich habe begeistern können: Natascha Sadr Haghighian jüngst bei Johann König: der bedrückende und erdrückte Lego-Leopard-Panzer als Hörstation, durch die man akustisch in den tierisch-maschinellen Bauchraum der gegenwärtigen systemischen Lage einsteigen konnte. Auch Isa Genzken bei Neugerriemschneider: Diese Installationen werden von mal zu mal schärfer, fragiler, trauriger. „Nothing to declare?“ in der Akademie der Künste reproduzierte dagegen eher unfreiwillig globalistische Klischees, wobei die eigenen angewandten Prämissen beim Rahmen unterbelichtet bleiben. Da blieb das Gefühl, hier ist viel Arbeit notwendig, und bisherige Formen der Kritik müssen neu animiert und transformiert werden. Wir leben anscheinend in einer Gegenwart, der die Errungenschaften von Exklusions- und Repräsentationskritik wieder irgendwie abhandenkommen oder als weniger notwendig empfunden werden, nach dem Motto: das hatten wir schon … Das betrifft aber weniger die dort gezeigten Arbeiten als die implizit angewandten Rahmenbedingungen: Jetzt reden alle bei der Kunst mit, nicht nur der Westen, und wenn das dann doch nicht so ganz stimmt, wessen Problem ist das dann noch? Welches Konzert oder welchen Klub können Sie/kannst du empfehlen? Nicholas Desarmory, zuletzt bei ZMF zu hören mit „Psycho und Plastic“. Der Soundtrack und die von Diedrich Diederichsen zusammengestellte Hörstation unserer Ausstellung „The Whole Earth. Kalifornien und das Verschwinden des Außen.“ Im Jahr 2020 wird dann außerdem der beste Klub Berlins im HKW eröffnet werden …Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet Sie/dich durch den Alltag? Chimurenga, ein Magazin, Archiv und Projektplatform aus Südafrika, begleitet mich seit drei Monaten: großartig. Theoretisches Buch: „Art & Agency“ von Alfred Gell, und Henry Louis Gates „The Signifying Monkey“. Fiktion: Nagib Machfus, die Kairo-Trilogie, und Jian Guis „A Tale of Modern Monsters“, da blieb einiges übrig vom letzten Jahr, das ich mit der Taipei Biennale verbracht habe. Hat beides eher mit einem Hang zum Epischen und geschichtlichen Bildräumen zu tun. Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht Ihnen/dir zurzeit am meisten Freude? Die erhöhte Serotonin-Ausschüttung seit zwei Wochen; die silberne, walförmige „Moby Dick“, das Touristenboot, das vor meinem neuen Büro im HKW vorbeikreuzt, zusammen mit der sehr schnittig-eleganten, aus Amsterdamer Grachten entführten „Prins Albert“, so ein flach- und langgelegtes Sportboot aus den glorreichen Tagen des globalistischen Designs. Dazwischen herrscht nur trister deutscher Kanzleramtsalltag, das meiste vor dem Fenster könnte auch vom Bodensee stammen.