: Ein ziemlich bunter Hund
■ Zu Gast an der Kunsthochschule: Stephen Beck, Künstler und Erfinder von sprechendem Spielzeug
Das ist mal eine Künstler-Vita. Die Namen wichtiger Einzelausstellungen in den üblichen Galerien sucht man hier vergeblich. Stattdessen erfährt man, wann der Künstler eine Erfindung namens „Wrinkles“ gemacht hat, ein „artificial intelligent electronic talking dog“. Oder wann sein erster Video-Synthesizer den künstlerischen Betrieb aufnahm. Im Lebenslauf von Stephen Beck hat beides seinen Platz: Geschäft und Kunst – für einen Freigeist wie Beck gibt es da ohnedies keine genaue Trennung. Ja, wozu denn auch? fragt Beck und setzt sein kalifornisches Lächeln auf. Wie alles mit allem zusammenhängt, und wie man dabei ganz relaxed bleiben kann – das bringt Beck jetzt den Deutschen bei. Beim Künstlernachwuchs fängt er an: Eine Woche lang ist er zu Gast an der Bremer Kunsthochschule, um einen Workshop abzuhalten.
„Wrinkles“ ist natürlich auch dabei. Irgendwo im Chaos, das Beck in bemerkenswert kurzer Zeit in seinem Seminarraum angerichtet hat, bellt eine heitere Hundestimme. Ah, da ist der Racker ja, Papa Beck hält ihn stolz hoch: Drücken Sie mal auf den Hundenabel, wie „Wrinkles“ dann kläffen kann! In der Tat: Das rostige Gebell will gar nicht wieder aufhören. Der Klang klingt vertraut. Richtig, sagt Beck: Der Künstler lieh seinem Elektrohund ein Sample seiner eigenen Lache. His Masters Voice.
Jetzt schallt Becks Gebell in ca. 500.000 amerikanischen Kinderzimmern. „Wrinkels“ ist ein Kassenknüller, sagt Beck. Ein deutscher Medienkünstler hätte spätestens jetzt entschuldigend mit den Achseln gezuckt. Nicht so Beck: „Um als Künstler zu überleben, mußte ich ins Geschäft einsteigen. Aber das Geschäft sehe ich als Kunst an.“
Eine Kunst, auf die er sich blendend versteht. Beck hat mehrere Computerfirmen im „Silicon Valley“ gegründet, betreibt das Fachmagazin „Mondo 2000“ – und ist ein weltweit operierender Künstler von endloser Erfindungskraft. Entsprechend sieht die Themenliste aus, mitgebracht hat. Im Workshop will er die Beziehungen zwischen dem Bauhaus und interdisziplinärer Kunst heute diskutieren, will über Dürer, Kandinsky und den deutschen Filmpionier Oskar Fischinger dozieren, will Experimente mit dem Fernsehen anstellen, und irgendwie beeinflußt ja auch die Nordische Mythologie die Kunst des 20. Jahrhunderts ...
Jaja, das sei natürlich alles ein bißchen viel für fünf Tage, räumt der Meister ein. Aber auf vorzeigbare Resultate will er ohnedies nicht hinaus. „Ich versuche nur, die Studenten anzuregen; ich kann nur Anstöße geben, selbst zu sehen.“
Das ist ihm offensichtlich schon gelungen. Im Videoraum der Hochschule tummeln sich die Studenten, um sich die Ergebnisse der ersten Tage anzusehen. Aufgekratzte Stimmung schon am Vormittag. Soeben trifft Beck ein, sofort steigert er die Stimmung nochmals durch die Ankündigung, heute einen weiteren „Field Trip“ mit der Kamera zu unternehmen – diesmal zu den Stadtmusikanten. By the way, hätten die Studenten nicht mal Lust, sprechende Town Musicians zu erfinden? The artificial intelligent electronic talking Stadtmusikanten? Man denke an die Vermarktungschancen!
Soviel kreatives Chaos ist ansteckend. Den Spaß am spielerischen Umgang mit der Kunst nutzt Beck, um die Studenten dann auch mal in tieferes Wasser zu führen. Medientheorie kommt bei ihm fast automatisch mit ins Spiel. Jedes kleine Experiment, sagt er, soll auch zum Nachdenken über unseren Umgang mit den Medien anregen. Was ist das eigentlich für ein Bild, das wir da auf dem Fernseher sehen? Was passiert, wenn ich den Fernseher auf den Boden lege? Und eine Ladung Erde darüber schütte?
Eine Installation mit 28 verkleideten Fernsehern soll am Ende des Workshops stehen. Falls Beck & Co. nicht plötzlich noch was anderes Hübsches einfällt. So oder so: Bremen hat Beck nicht zum letzten Mal gesehen, sagt er. Schließlich wisse doch jeder: „Bremen is Beck's Country!“ Thomas Wolff
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