nie mehr „made in germany“? : Ein wunderbarer Streit
Eine EU-Kommission denkt darüber nach, nationale Herstellungskennzeichen wie „Made in Germany“ durch ein europaweites „Made in the EU“ zu ersetzen. Die deutsche Wirtschaft, die CDU und die rot-grüne Regierung reagierten gestern entsetzt
Ist Deutschland drin, wo Deutschland draufsteht? In der Politik immer seltener: Wenn’s ans Eingemachte geht, wird gern darauf verwiesen, dass man ja nur eine Vorgabe aus Brüssel umsetze. Bei der Währung schon längst nicht mehr: Wir bezahlen mit Eichenlaub, Brandenburger Tor und Bundesadler auf den Münzen, aber Herrin des Geldes ist die Europäische Zentralbank. Die wurde zwar nach dem Vorbild der deutschen Bundesbank konstruiert, agiert aber für derzeit zehn und womöglich bald noch viel mehr Staaten.
Wir wählen für Europa, wir debattieren eine Verfassung für Europa, und wir gewöhnen uns so langsam an den Gedanken, dass demnächst nicht nur endzulagernde politische Versorgungsfälle in Brüssel Verantwortung übernehmen, sondern auch ausgewiesene Spitzenpolitiker. Wir bewegen uns auf die Vereinigten Staaten von Europa zu, da ist es nur logisch, das „Made in Germany“ irgendwann durch ein „Made in the EU“ zu ersetzen.
Klar, dass das diverse Aufschreie evoziert. Vielleicht ist es auch wirklich noch ein paar Jahre zu früh. Wissen kann man das erst nach der Debatte, die jetzt gerade beginnt. Die vergangenen Jahrzehnte des Europäisierungsprozesses sind voll von solchen Debatten. Die zäheste und längste drehte sich um die Einführung des Euro: Soll die gemeinsame Währung die ökonomische Integration krönen (also möglichst spät kommen) oder zur ökonomischen Integration beitragen (also möglichst früh eingeführt werden). Dass der Euro keine Bauchlandung hinlegte, sondern jetzt sogar die Chance hat, den Dollar als Weltleitwährung abzulösen, ist nicht zuletzt diesem intensiven Streit zu verdanken. Wie ein Europäisierungsschritt daneben gehen kann, wenn er nicht die Frucht einer heftigen Auseinandersetzung ist, dafür steht das Europäische Parlament: Ungefähr zwanzig Jahre zu früh und ohne reale Kompetenzen gestartet, hat es das Vertrauen in die Qualität europäischer Politik zerstört und massiven Schaden angerichtet.
Also bitte: Streitet euch! Polemisiert dagegen, mit spanischem Ramsch auf eine Stufe gestellt zu werden, fordert eine Einschränkung des „Made in EU“ auf die Staaten der Eurozone oder die Einführung einer Made-in-EU-Zertifizierungsbehörde, oder kontert mit dem Label „Made in Bavaria“, und wenn’s der Wahrheitsfindung dient, auch „Made in Northrhine-Westphalia“.
Ein solcher Streit ist nicht nur geil – er ist das Beste, was der europäischen Integration passieren kann. DETLEF GÜRTLER