piwik no script img

■ StandbildEin undankbarer Mensch

„Mein Vater, der Gastarbeiter“, So., 23.50 Uhr, ZDF

Es ist zwar ein Gemeinplatz, stimmt aber trotzdem. Wenn das Fernsehen tatsächlich mal Aufklärung im besten Sinne bietet, dann nicht vor 24 Uhr. Damit nicht zufällig jemand bei einem Film hängenbleibt, in dem er etwas Neues erfahren könnte.

Seit auch in Deutschland die Konflikte zwischen den unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppen aus der Türkei hochkochen, fragt sich ja auch der Deutsche von nebenan wieder, wer das eigentlich ist: ein Kurde, ein Alewite? Die Türken ganz allgemein und die „Gastarbeiter“ hier bei uns. In der Doku von Yüksel Yavuz wurden viele dieser Fragen auf eine einfache, unaufdringliche und sehr überzeugende Weise beantwortet. Yavuz erzählt über sich, seine Familie und seinen „Vater, den Gastarbeiter“. Vor allem aber läßt er seine Eltern über ihr typisches Migrantenschicksal selbst sprechen. Der Vater geht 1968 allein nach Hamburg – er will ja bald wieder zurück – und bleibt dann doch 15 Jahre. Die Mutter muß, gegen ihren Willen, im kurdischen Heimatdorf bleiben. Später nimmt der Vater zwei Söhne mit nach Germania, die nach seiner Rückkehr in die Türkei hierbleiben.

Einer von ihnen ist Yüksel Yavuz, aus dem ein Intellektueller wurde, der jetzt Filme dreht. Zunächst stellt Yavuz seine Eltern in ihrem Dorf vor, läßt seine Mutter reden, die sich über den Vater beschwert – nicht wütend, eher lakonisch. Auch Yavuz hält sich mit Kommentaren völlig zurück, er zeigt die Situation genauso lakonisch, wie seine Personen reden. Als Panzer am Dorf vorbeidonnern und wenig später Rauchschwaden über die Berge ziehen, reagieren die Dorfbewohner wie auf einen unzeitgemäßen Regenguß: „Es brennt wieder. Tatsächlich.“

Yüksel nimmt seine Eltern noch einmal mit nach Hamburg, für die Mutter eine völlig neue Welt und den Vater eine Reise in die Vergangenheit. Aber die Kinder und Enkel leben jetzt hier. „Aus dem Land der Arbeit ist das Land der Enkel geworden“, sagt der Vater. Als er seinem Sohn die Werft zeigen will, wo er 15 Jahre geschuftet hat, läßt der Chef sie nicht herein. „Ein undankbarer Mensch“, sagt Vater Yavuz, „nach 15 Jahren, in denen ich mich kaputtgemacht habe.“ Die Familie Yavuz lebt immer noch in zwei Welten. Ob die dritte Generation in Deutschland eine neue Heimat findet, bleibt weiterhin offen. Jürgen Gottschlich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen