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Archiv-Artikel

nachruf Ein tyrannischer Dinosaurier

Paraguays langjähriger Despot Alfredo Stroessner ist tot. Der „Tyrannosaurier“, wie ihn der Schriftsteller Augusto Roa Bastos einmal nannte, starb am Mittwoch in einer Privatklinik von Brasília an den Folgen einer Lungenentzündung. Zuletzt war der 1,90-Meter-Mann auf 45 Kilogramm abgemagert.

Während Stroessners fast 35-jähriger Diktatur wurden Oppositionelle inhaftiert, gefoltert, umgebracht oder vertrieben. Nach offiziellen Angaben „verschwanden“ 400 Regimegegner, Menschenrechtsorganisationen gehen von mehreren tausend Toten aus. Richter aus verschiedenen Ländern wollten Stroessner vor Gericht bringen, doch Brasília lehnte seine Auslieferung ab – wegen seiner engen Beziehungen zu den dortigen Militärs, wie der prominente Menschenrechtler Martín Almada meint: „Er hat Paraguay zu einer brasilianischen Kolonie gemacht.“

Stroessner wurde am 3. November 1912 in Encarnación als Sohn eines ausgewanderten bayerischen Brauerei-Buchhalters und einer paraguayischen Bäuerin geboren. Seine militärische Laufbahn begann er als 16-Jähriger, 1941 schloss er einen Lehrgang an der Heeresschule in Rio de Janeiro ab. 1951 wurde er Oberbefehlshaber der Armee, drei Jahre später putschte er sich an die Macht und regierte Paraguay danach mit eiserner Faust und einer weitverzweigten Vetternwirtschaft. Acht Scheinwahlen gewann er als einziger Kandidat.

Der dünn besiedelte Binnenstaat wurde unter Stroessner zum Zufluchtsort für Altnazis, Antikommunisten und vertriebene Diktatoren, etwa für Nicaraguas Anastasio Somoza. Der KZ-Arzt Josef Mengele erhielt 1959 die paraguayische Staatsbürgerschaft.

US-Präsident Richard Nixon schätzte den Tyrannen als treuen Verbündeten. In den Siebzigerjahren war Paraguay eine Drehscheibe der „Operación Cóndor“, bei der die Militärdiktaturen Südamerikas gemeinsam Jagd auf Regimegegner machten. Im Februar 1989 hatte der dreifache Vater abgewirtschaftet, seine Familie ein Milliardenvermögen angehäuft. Die USA ließen ihn fallen, worauf er durch einen Militärputsch gestürzt wurde und ins brasilianische Exil ging.

Doch bis heute wirkt Stroessners Erbe nach. Wuchernde Korruption, soziale Verwerfungen, eine starke Abhängigkeit von Washington und Brasília zeugen davon, ebenso die Herrschaft seiner Colorado-Partei. „Die Nachricht vom Tod Stroessners hat uns angenehm überrascht. Gerade eröffneten wir in Asunción ein Menschenrechtsmuseum. Das ist derselbe Ort, an dem von 1956 bis 1992 ein Folterzentrum in Betrieb war“, sagte Martín Almada der taz. Zuversichtlich spricht er vom „Abschluss eines düsteren Kapitels“. GERHARD DILGER