: „Ein stummer, aber sichtbarer Protest“
GUERILLA-GARDENING Weil ihm die Stadt zu grau und langweilig ist, zieht ein Bremer Gärtner nachts los und pflanzt bunte Blumen. Auf diese Weise, sagt er, gebe er der Natur ein Stück Erde zurück, dass sich die Menschen einfach genommen hätten
■ 40, Guerilla-Gärtner, begrünt seit knapp drei Jahren in Nacht-und-Nebel-Aktionen die Stadt Bremen.
taz: Herr B., Sie nennen sich Guerilla-Gärtner, streifen nachts durch die Straßen und pflanzen Blumen. Haben Sie keinen eigenen Garten?
Dirk B.: Nein, habe ich nicht. Die Stadt ist mein Garten, und den versuche ich zu verschönern.
Wie läuft so eine Guerilla-Aktion ab?
Ich gehe mit offenen Augen durch die Stadt, suche mir Ecken, die ich verschönern will, und komme später wieder, um dort Blumen zu pflanzen. Auch mit Samenbomben, also Kugeln aus Erde und Blumensamen, kann man schon viel erreichen. Und die sind schnell verteilt.
Geht es beim Guerilla-Gardening nicht darum, sich die Straßen zurückzuerobern?
Ja, darum ging es in den 70er-Jahren, als die Idee entstand. Damals war es als neue Form des politischen Protests gedacht. Heute hat sich das Guerilla-Gardening weiterentwickelt. Immer mehr Menschen sorgen sich um ihre Umwelt und ihre Lebensmittel. Sie wollen wieder natürlicher leben – auch in der Stadt.
Wird Guerilla-Gardening inzwischen durch das Urban Gardening abgelöst?
Urban Gardening ist eine Form des Gärtnerns, die aus dem Guerilla-Garding entstanden ist. Sie zeigt, dass auch Menschen in der Stadt das Bedürfnis nach einem Leben mit der Natur haben. Beim Urban Gardening geht es aber vor allem um den Anbau von Lebensmitteln, also Selbstversorgung – und um das Gemeinschaftsgefühl, das beim Gärtnern entsteht. Beim Guerilla-Gardening legt man sich nicht auf einen Ort oder Garten fest, sondern sucht sich brach liegende Flächen und Nischen, die ein wenig Farbe vertragen könnten.
Worum geht es Ihnen persönlich?
Ich will etwas tun: gegen graue Wände und Langeweile. Gegen absolute Sauberkeit und Ordnung. Unsere Städte sind unnatürlich. Sie wirken wie mit dem Lineal angelegt. Zu viele Flächen werden wegbetoniert oder optisch mit Werbung zugepflastert.
Und Blumen sind das richtige Mittel, um auf diese Problematik aufmerksam zu machen?
Die Blumen verkörpern für mich einen stummen, aber sichtbaren Protest. Außerdem geben wir den Pflanzen ein Stück Erde zurück, das wir Menschen uns einfach genommen haben.
Auch die Stadtverwaltung pflegt öffentliche Grünflächen. Macht sie ihren Job nicht?
Die machen sicherlich ihren Job, aber in erster Linie erfüllen sie ihr Soll, wie zum Beispiel Rasen anlegen und mähen. Für Kreativität bleibt da nicht viel Platz. Klar sollten auf Verkehrsinseln keine grellen Pflanzen gesät werden. Aber wie wäre es zum Beispiel mit einem Verkehrszeichen aus Blumen? INTERWIEW: MIKE