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Archiv-Artikel

kucken sie mal: auf allerlei leinwänden Ein schmutziger Witz: Das Oldenburger Filmfestival

Ein Witz wird erzählt, und keiner lacht! Ein kleines Männchen scheitert mit seinem Antrag bei einer riesigen Frau! Und in einem Café kann man ein halbes Leben lang auf seine Cola warten! Nein, die Oldenburger verstehen ganz sicher nichts von Comedy, Romance und Action. Aber Filmfestivals, die können sie machen!

Und Trailer für diese, wie der neueste, hier gerade gemeinerweise nacherzählte, wieder beweist. Seit einigen Tagen wird er in 40 Kinos in Bremen, Niedersachsen, aber auch München und Berlin gezeigt; Regisseur Thomas Stiller ist es wieder einmal gelungen, sich selbstironisch über das Klischee des Provinziellen zu mokieren. Mit diesen Werbefilmchen machen sich die Organisatoren des Festivals um den Gründer und Leiter Torsten Neumann seit vielen Jahren große Mühe, und in den schlechteren Jahren, als die Festivalmacher sich mehr um die Partys als um die Filme zu kümmern schienen, wurde schon mal gewitzelt, der Trailer sei besser als das Festival gewesen.

Das 12. Internationale Filmfest Oldenburg (7. bis 11. September) will mit dem so genannten Vorglühen im August jetzt schon Aufmerksamkeit wecken. So gibt es am folgenden Samstag im Oldenburger Club Schmizz eine große Party, bei der noch einmal der vor zwei Jahren extra für das Filmfest produzierte Dokumentarfilm über die heimische Clubszene „Let It Roll“ gezeigt wird, nächsten Samstag wird im Restaurant „Tafelfreuden“ vom Chefkoch ein „CineMenü“ zu den zwischen den Gängen gezeigten Essfilmen „Big Night“ und „Chocolat“ serviert.

Obwohl die Filmförderungsanstalt für Bremen und Niedersachsen „Nordmedia“ als Hauptgeldgeber wie bei allen Filmfestivals der Region auch bei den Oldenburgern die Fördermittel empfindlich gekürzt hat, scheinen diese ohne solche drastischen Sparmaßnahmen wie das Europäische Medien Art Festival in Osnabrück auszukommen, dessen Qualitätsabfall in diesem Jahr deutlich zu spüren war. In Oldenburg erhöhten die Stadt und das Stadtmarketing ihre Förderermittel, so dass das Festival mit einem Budget von über 200.000 Euro noch immer vergleichsweise gut ausgestattet ist.

Zumindest mit einem Griff hatten die MacherInnen bei der Programmauswahl Glück. Denn der als Highlight der „Internationalen Reihe“ angekündigte Episodenfilm „Nine Lives“ von Rodrigo Garcia mit Holly Hunter und Glenn Close wurde gerade bei den Filmfestspielen in Locarno mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet. Direkt vom fast parallel laufenden Filmfestival von Venedig wird die amerikanisch/deutsche Koproduktion „Love“ zusammen mit dem Regisseur Vladan Nikolic eingeflogen.

Als der Schocker des Filmfests könnte sich „The Aristocrats“ von Paul Provenza entpuppen: 87 Minuten lang wird ein einziger Witz erzählt. Allerdings ist dieser extrem schmutzig; Stars der amerikanischen Comedyscene wie Robin Williams, Whoopi Goldberg und Chris Rock erzählen jeweils ihre ganz eigenen, extrem voneinander abweichenden Versionen. Für ähnliche Filme mit hohem Kult- und Ekelfaktor gibt es auch in diesem Jahr wieder die Sonderreihe Mitnite Express, auf der unter anderem zwei Werke mit den vielversprechenden Titeln „Phil the Alien“ und „Lonesome Cowboys“ gezeigt werden.

Wie in jedem Jahr sind in Oldenburg die amerikanischen Independentfilme sehr stark vertreten, und der Stargast des letzten Jahres; Seymour Cassel; soll auch diesmal wieder kommen.

Wenn alles gut geht, kann sich das Filmfest diesmal sogar mit dem Namen Coppola schmücken. Nein, nicht Francis Ford wird kommen, aber immerhin sein Neffe soll an einem Panel zum Thema „Ästhetik und Technik des High Definition Formats“ teilnehmen, zu dem auch eine Reihe von neuen HD-Filmen gezeigt werden.

Neu im Programm ist die Sondersektion Dokumentarfilm, in der am Sonntag der Heimregisseur des Festivals, RP Kahl, („99 Euro-Film“ & diverse Filmfesttrailer) sein Portrait von vier jungen Schauspielerinnen („Mädchen“) präsentieren wird.

Als Eröffnungsfilm wurde das Roadmovie „Blackout Journey“ von Siegfried Kamml ausgewählt, der neben drei anderen Filmen für den German Independence Award nominiert ist.

Auf der Eröffnungsgala am 7. September wird es dann noch am ehesten wie im Trailer zugehen, denn dort trifft sich traditionell die Schickeria von Oldenburg.

Wilfried Hippen

Das gesamte Programm: www.filmfest-oldenburg.de. Kartenreservierungen: Tel. 0441 / 925 08 55 oder per Mail info@filmfest-oldenburg.de