Ein neues Gedicht von Günter Grass: Deutschlands Scham

Günter Grass prangert Europas Umgang mit Griechenland an. Das neue Gedicht löst nur ein schwaches Echo aus. Jetzt wagt er sich an ein neues Thema: Das Urheberrecht.

Provokation kann so schön sein! Bild: madochab / photocase.com

Mutter Deutschland frisst weinend ihre kleinen Künstlerkinder, am Kopfe drückt die harte Mündung der Piraten.

Diebe, die, weil sie es sind, denken doch zu glauben, dabei glaubend denken, nur der Glaube fehlt und auch Gedanke.

Schlecht denkt, doch um so besser dünkt sich’s voller Drogen, den Blinker aufgeblendet auf der Datenautobahn:

Der Diebstahl unsrer Seele, unsres Weltenplans, der Diebstahl eines Gutes, das selbst uns nicht gehöre.

Dem Künstler neidig wie ein Jude, der saubere Christenmenschen sieht, so will er ihn zerstören.

Als sich Günter Grass mit seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ vor fast zwei Monaten in der Süddeutschen Zeitung an die Welt wandte, reagierten die Medien routiniert und steckten bald auch das Publikum mit ihrer Aufregung an. Antisemitismus, Waffen-SS, Präventivkrieg, diese Debatte hatte alles, was eine Debatte braucht.

Grass selbst ließ zum vergangenen Wochenende hin „Europas Schande“, ein Gedicht zur Lage Griechenlands, folgen. Er stellt sich in die europäische Tradition aufgeklärter Streitbarkeit, die von den großen Griechen über die Humanisten der Renaissance bis hin zum Bild-Kolumnisten Franz-Josef Wagner reicht. Gerade mit Letzterem verbindet Grass – inzwischen oft als „intellektueller Wagner“ gehandelt – das altersweise Intervenieren in die Zeitläufte. Die publizistische Frequenz trennt sie. Noch.

Ein wöchentlicher ARD-Talk mit Thilo Sarrazin, Arbeitstitel „Schnauzer der Woche“, ist geplant, weitere Poeme ebenso. Das zum Urheberrecht hat die taz veröffentlicht, nächste Themen: Schlecker, Eurovision Song Contest, Syrien. (das)

Törichtei und Frevelmut in einer Welt voll leeren Komputergebrumms gebiert Kopie, Betrug, Betrugskopie.

Hinein das Poem in den Komputerkasten und tausendfach hinaus, Gorgonenhaupt, ich weiß nicht, wie das geht.

Das edle Dichterwort, geschändet von einer grölenden Meute Kartoffelchips nagender Hornbrillenträger.

Liegt wehrlos, nackt im Staub und wartet bange auf den nächsten Rotarmisten einer Fälschergeneration.

Manch mutiger Mann, Sven Regener, Charlotte Roche und Manuel Andrack, trat dem Pack entgegen.

Sprach „Halt“, „So nicht“ und „Nehmt uns nicht noch unser Geld, sonst leiden unsre Kinder Hunger!“

Umsonst. Umsonst ist nur der Tod, man will uns nicht, man will den Künstler liquidieren.

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