piwik no script img

Ein namenloser Toter

■ Tod bei Abschiebung: Cohn-Bendit kritisiert die Staatsanwaltschaft

Frankfurt/Main (taz) – Der Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main und frischgebackene Europaabgeordnete Dany Cohn- Bendit (Bündnis 90/Die Grünen) hat im Gespräch mit der taz scharfe Kritik am Verhalten der Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Main geäußert. Die Weigerung von Oberstaatsanwältin Becker-Toussaint, den Namen des bei einer versuchten Abschiebung auf dem Rhein- Main-Flughafen durch eine sogenannte Beruhigungsspritze zu Tode gekommenen Nigerianers zu veröffentlichen, sei eine „völlig inakzeptable Haltung“. Cohn- Bendit: „Dieser Mensch hatte ein Gesicht, und er hatte einen Namen. Und er wird in seiner Familie und bei seinen Freunden eine Lücke hinterlassen.“

Die von Becker-Toussaint angeführten „Persönlichkeitsschutzrechte“ des Toten, so Cohn-Bendit weiter, seien kein hinreichender Grund, den Namen zu verheimlichen. Schließlich hätten die Persönlichkeitsrechte des Nigerianers keine Rolle gespielt, als von diversen Behörden auf den „wahrscheinlichen Beziehungen“ des Mannes zum „Drogenmileu“ insistiert worden sei. Offensichtlich vertrete man etwa im Ausländeramt von Kaiserslautern die Auffassung, daß dieser vermutete Umstand den Skandal um den Tod des Schwarzafrikaners relativiere. Der Multikulturdezernent forderte die Frankfurter Staatsanwaltschaft auf, umgehend die „Geheimniskrämerei“ um die Identität des Nigerianers zu beenden. Auch müsse schnell öffentlich werden, unter welchen Umständen dem Abzuschiebenden die „Beruhigungsspritze“ verabreicht worden sei – und aus welchen Pharmaka sich dieser „Cocktail“ zusammengesetzt habe.

Oberstaatsanwältin Becker- Toussaint kündigte auf Nachfrage eine Erklärung für „Ende dieser Woche – Anfang nächster Woche“ an. Den Namen des Nigerianers werde man allerdings „nie“ bekanntgeben. Die Leiche befinde sich zu Untersuchungszwecken noch in Frankfurt. Ob eine Überführung nach Nigeria veranlaßt werde, sei noch „unklar“, sagte Becker-Toussaint. kpk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen