piwik no script img

Archiv-Artikel

Kommentar Ein kleiner Sieg in der Krise der Europäischen Kommission

José Barroso hat die Kurve gerade noch gekriegt. Zwar standen die Chancen gut, dass sein Team im Europaparlament eine knappe Mehrheit bekommen hätte. Es gab genug Abgeordnete, die in letzter Minute vor den Folgen eines Nein zurückgeschreckt wären und sich enthalten hätten. Doch welche Situation wäre für den zukünftigen portugiesischen Kommissionspräsidenten dann entstanden?

Das Vertrauen zwischen Parlament und Kommission wäre von Anfang an gestört. Er hätte sich nur auf die Regierungschefs im Europäischen Rat stützen können. Er hätte nach ihrer Pfeife tanzen müssen, die ihn mangels besserer Kandidaten auf den Schild gehoben hatten. Schlussendlich: Barosso wäre ein schwacher Kommissionspräsident geworden.

Zum zweiten Mal hat Barroso alle überrascht. Der sichere Instinkt, mit dem er die ihm vom Rat aufs Auge gedrückte Mannschaft auf die Ressorts verteilte, hatte ihm im Sommer viel Beifall eingebracht. Bei näherem Hinsehen erwiesen sich aber einige Kommissare in ihren Ämtern als untragbar.

Dennoch weigerte sich der Portugiese so lange wie möglich, an dem heiklen Paket etwas zu ändern. Als er aber merkte, dass viele Abgeordnete nicht einlenken würden, münzte er in der für ihn typischen Art die Niederlage in einen Sieg um.

Die nächste spannende Frage ist nun, wie die Regierungschefs auf die Botschaft aus Straßburg reagieren. Halten alle stur an ihren Personalvorschlägen fest, muss Barroso in einem Monat mit der gleichen Mannschaft vor ein deutlich selbstbewussteres Parlament treten. Mit kosmetischen Zugeständnissen werden die Abgeordneten sich dann nicht zufrieden geben. Auch wenn der italienische Regierungschef Berlusconi einlenkt und statt dem umstrittenen Rocco Buttiglione einen anderen nach Brüssel schickt, wird das wohl nicht mehr ausreichen.

Zusätzlich sollten sich die Holländer bewegen. Sie haben die Ratspräsidentschaft inne und tragen für Erfolg oder Scheitern des Verfahrens erhebliche Verantwortung. Sie könnten Neelie Kroes opfern, um dem Parlament deutlich entgegenzukommen. Kroes saß in zu vielen Aufsichtsräten, um als Wettbewerbskommissarin tragbar zu sein. Auch dann blieben zwar noch ein paar lahme Enten dem neuen Team erhalten. Dieses Handicap würden das Europaparlament aber leicht verschmerzen. Es würde durch das Bewusstsein um seine gewachsene Bedeutung voll entschädigt. DANIELA WEINGÄRTNER