: Ein japanisches „Material Girl“
■ Hong Kongs Kino dümpelt vor sich hin. Dafür kommen viele gute neue Filme aus Japan. Einer von ihnen ist „Adrenaline Drive“ vom Regisseur Shinobu Yaguchi
Ein junges Mädchen wälzt sich in Geldscheinen, badet in Millionen Yen, strampelt dabei mit den Beinen und wirft sie mit leuchtenden Augen in die Luft. Dies ist wohl das zentrale Bild in dem neuen Film von Shinobu Yaguchi – ja, man könnte fast glauben in seinem ganzen filmischen Mikrokosmos, denn ganz ähnlich sahen wir schon in seinem ersten internationalen Erfolgsfilm „Mein geheimer Schatz“ (der vor kurzem auch im Kino 46 zu sehen war) eine junge japanische Frau beim Liebesakt mit dem schnöden Mammon. Da erzählt offensichtlich einer auch von seiner Obsession, und deshalb gelingt es ihm ja auch, in der auf den ersten Blick recht konventionellen Räuberpistole die Flucht- und Glücksfantasien so überzeugend und mitreißend auszumalen.
Durch schieres Glück und die eigene Ungeschicklichkeit sitzen der sanftmütige Angestellte Suzuko und die schüchterne Krankenschwester Shizuko plötzlich auf einem Koffer voller blutdurchtränkter Yen-Scheine. Und nachdem die ordentliche Shizuko das Geld erstmal in einem Waschsalon geschleudert und getrocknet hat, müssen die beiden für den Rest des Films vor den eigentlichen Besitzern der Millionen flüchten, denn diese sind schlimme Yakuza, die zwar ziemlich blöd, aber dafür nicht weniger gefährlich sind. Yaguchi reiht hier absurde Jagdszenen aneinander, in denen die beiden immer so knapp und komisch wie nur irgend möglich ihren Häschern entkommen. Da wird Suzuki schon mal in Heftpflaster eingerollt wie eine Mumie, und Shizuko wird als unfreiwillige Heldin von der Polizei geehrt, die natürlich keine Ahnung hat, worum es eigentlich geht.
Yaguchi läßt hier seinem anarchistischen Humor genauso freien Lauf wie in „Mein geheimer Schatz“, von dem „Adrenaline Drive“ eine Fortsetzung ist. Aber das Interessante daran ist, dass der Regisseur das Thema konsequent weiterdachte. Im „Schatz“ wusste die junge Heldin letztlich gar nichts mit dem Geld anzufangen, und deshalb war auch das Ende des Films eher enttäuschend. Jetzt weiß zumindest Shizuko sehr genau, was man mit Geld alles machen kann, und ihre Verwandlung vom grauen Mäuschen in eine hübsche, modisch gekleidete und frisierte Frau wird vom Regisseur so märchenhaft wie die Aschenputtel-Geschichte inszeniert. Suzuki sitzt dagegen im Schlussbild des Films eher verloren hinter dem Steuer seines neuen Jaguars: Shinbu Yaguchi feiert lieber die „Material Girls“ des heutigen Japan, und weil sich dabei Faszination, Sympathie und satirische Bosheit sehr raffiniert die Waage halten, sind seine Filme so witzig, spannend und originell.
Wilfried Hippen
„Adenaline Drive“: Kino 46, heute und morgen um 22.30 Uhr, So. und Mo. um 18.30 Uhr und Di. um 20.30 Uhr in der japanischen Originalfassung mit Untertiteln
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