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■ Ein großes Land regieren ist wie kleine Fische bratenDer Seitenscheitel der Neuen Mitte

Joschka Fischer verlor keine Minute. Das endgültige Wahlergebnis stand noch gar nicht richtig fest am Sonntag abend, da hielt der Mann im Deutschlandfunk schon eine kleine, aber unmißverständliche Ansprache. „Wir haben es uns selbst nicht leichtgemacht in der Vergangenheit“, resümierte Fischer jovial, um anschließend gänzlich ironiefrei komplett präsidiumsreif zu werden: „Aber dann ist ein Ruck durch die Partei gegangen“, doch, tatsächlich ein „Ruck“, ohne den Anhauch uneigentlichen Sprechens ein „Ruck“, und dann kam das Eingemachte: „Wir haben gelernt, zusammenzustehen.“

Von „zusammenstehen“ war dann noch mehrfach die deutliche Rede an die, die Fischer gewählt haben, und an die, die ab nun mit ihm zusammenzustehen haben: Ihr habt zu tun, was ich euch sage, damit meine Karriere picobello vorankommt.

So spricht Joschka Fischer, der sich, wie Helmut Kohl erstaunlich genau beobachtete und sympathisch-tückisch konzedierte, „mittlerweile ja schon Joseph nennen läßt“. Einen mit dem Brotmesser gezogenen Seitenscheitel trägt der Mann seit kurzem auch. So sieht sie aus, die Neue Mitte um Gerhard Schröder und Joschka Fischer: wie die gerechte Strafe für alle, die sich das eingebrockt haben.

Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen. Noch drei Tage vor der Wahl hatte Sibylle Berg den Landsleuten im Zeit-Magazin mitgeteilt, was sie, statt wählen zu gehen, wo es nichts zu wählen gibt, viel besser tun könnten: „Malt lieber Seidenstoffe mit Arschbildern voll und seid friedlich“, empfahl Frau Berg; es war ein ebenso charmanter wie überzeugender Vorschlag. Aber so sind die Menschen: Sagt ihnen mal einer etwas Kluges, hören sie nicht hin oder schlafen schon wieder.

So kam es zum Regierungswechsel in Runkel-dunkel-Land. „Ein großes Land regieren / Ist wie kleine Fische braten“, schrieb einst Lao Tse, dem bis heute große Weisheit nachgesagt wird. Ihm zufolge wird also das Fischbratküchenpersonal Schröder, Fischer, Schily etc. seine Wähler auf den Grill oder in die Pfanne werfen mit dem Effekt, daß sie alle, Bräter wie Gebratene, gleich schlecht riechen werden.

Was man an dieser Aussicht derartig toll finden kann, daß man verzückt „Endlich!“, „Los jetzt!“ oder „Jetzt geht's los!“ herumjubelt, verstehe ich zwar nicht. Aber ich muß das ja auch nicht verstehen: Von den unangenehmen Figuren aus SPD, PDS und Grünen, die sich jetzt und in näherer Zukunft aufmandeln, habe ich nicht eine einzige legitimiert. Egal, was sie tun werden: Mich vertreten sie dabei nicht.

Aber ab und zu hinsehen will ich schon: Wenn es ein sozialdemokratischer Polizeiminister sein wird, der den Kanther macht; wenn ein Außenminister Fischer militärische Ehrenformationen abschreitet und dabei nicht einmal in Gedanken lachen muß; wenn es Abgeordnete der SPD und der Grünen sein werden, die Kriegführen aber sowas von notwendig und zivilisatorisch zwingend finden werden, und wenn jene, die sie dazu bestallt haben, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und jammern werden, das hätten sie nicht gewollt. Das gucke ich mir dann an.

Ich bin draußen, und draußen ist ein gutes Wort. Es hat Stolz – die, die drinnen sind, haben keinen. Darauf, daß man ihnen das auch in Zukunft prächtig anmerken wird, erhebe ich mein Glas: Herzlichen Glückwunsch zur gewonnenen Wahl.

Um der Gerechtigkeit willen aber darf eines nicht ungesagt bleiben: Noch peinlicher als Schröder und Fischer – sofern das überhaupt möglich ist – sind allerdings die Leute, die sich diese Lemuren gewählt haben. Wiglaf Droste

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