: Ein geschlagener Aussteiger soll produziert werden
■ betr.: „Zurück im Knast“, taz vom 1.12.93
Ali Jansen wurde im März 1988 verhaftet und wegen eines Brandanschlages auf eine Renault-Niederlassung zu einer sechsjährigen Haft verurteilt. Heute sind Brandanschläge etwas Alltägliches, und es wird der Eindruck erweckt, es seien Bagatelldelikte.
Ali Jansen ist schwer krank und war zuletzt sieben Wochen im Krankenhaus. Endstrafe ist am 28. Februar 1994. Bis dahin wird er, wie die taz berichtete, wohl im Knast bleiben müssen, denn der Staatsschutzsenat des OLG verlangt von diesem Schwerkranken eine „glaubhafte Abkehr von der Bereitschaft zur Gewaltanwendung“. Was geht hier ab? Was für eine Geisteshaltung steckt dahinter? Was erwartet und verspricht sich Herr Schieferstein? Das alles kommt mir vor wie eine Szene für schlechte Maler! Ein Mann, der von einem Trip zurückkehrt und sich dann wieder toll fühlt in diesem unserem Lande. Wie in der falsch verstandenen Geschichte „vom verlorenen Sohn“. Es soll ein geschlagener Aussteiger produziert werden, eine Lieblingsfigur vieler Staatsmänner. Keine Umarmung ohne politische Reue. Wenn Ali Jansen ein „Abschwörritual“ ablehnt, lehnt er eigentlich (und dies mit Recht) eine „Erziehung zum Gehorsam“ ab. Die ethisch Hochstehenden, die Anständigen in einer intakten Gesellschaft sind die anderen. Dazu scheint auch Herr Schieferstein zu gehören, obwohl sein Vorgehen auch mit einer Form der Gewalt zu tun hat.
Wenn ich über dieses Vorgehen und über die zur Zeit stattfindenden neuen Verfahren gegen Gefangene aus der RAF, die teilweise bereits zu lebenslänglichen Strafen verurteilt wurden, nachdenke, fällt mir ein Wort von Lessing ein: „Wer über gewisse Dinge den Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren.“ Schauen wir uns die politische Landschaft mit unseren „glaubhaften“ Politikern doch einmal genauer an. Wer fordert z.B. von den vier Ministern und dem Ministerpräsidenten in Sachsen- Anhalt „glaubhafte Abkehr von der Bereitschaft zu ...“? Was höre ich? „Mit Terroristen darf nicht verhandelt werden.“ Was hat ein Herr Schmidtbauer die ganze Zeit getan? Und Helmut Kohl? Der Bundeskanzler in China? Hat bei seinen „Hausaufgaben“ wohl nur seine „Lieblingsfächer“ drankommen lassen und vergessen, die Menschenrechtsverletzungen „glaubhaft“ zu thematisieren. Heinrich Böll sagte in einem Gedicht u.a.: „Es ist schön, ein hungerndes Kind zu sättigen, ihm die Tränen zu trocknen, ihm die Nase zu putzen ... Ein Bereich der Ästhetik, den wir noch nicht entdeckt haben, ist die Schönheit der Gerechtigkeit; Recht und Gerechtigkeit sind auch schön, und sie haben ihre Poesie, wenn sie vollzogen werden.“ Pfarrer Hubertus Janssen,
Limburg-Eschhofen
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