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Ein deutscher Weg

■ Alfred Mechtersheimer: Von der CSU über die Grünen zum Volksgenossen / Als Europa-Gegner und Amerika-Hasser auf Sonderpfaden

Anfang der achtziger Jahre kam der ehemalige Berufsoffizier Dr. Alfred Mechtersheimer aufgrund seiner pazifistischen Überzeugungen von der CSU zu den Grünen und gelangte schließlich sogar für diese Partei in den Bundestag. Nicht einverstanden mit dem Rotationsprinzip und seinen Folgen trennte er sich wieder von dieser Partei. Hernach wurde es ein wenig stiller um ihn. Ab und an trat er, der schon immer – durchaus in der Tradition des „blockübergreifenden Pazifismus“ der Antistationierungskampagnen Anfang der 80er – eine Neigung zum Deutschnationalen hatte, als Gesprächspartner von Postillen und Gazetten am äußersten rechten Rand in Erscheinung. Insbesondere im Umfeld des Golfkrieges stellte er klar, daß Pazifismus, Antiamerikanismus und deutscher Nationalismus durchaus eine Einheit bilden können – eine Art „Nationalpazifismus“.

Diesem Thema nun hat er ein 415 Seiten umfassendes Konvolut mit dem Titel „Friedensmacht Deutschland · Plädoyer für einen neuen Patriotismus“ gewidmet. In einem Sammelsurium beliebig zusammengetragener Zahlen und Meinungen wird dem Leser ein ausgesprochen banal gestricktes Modell eingehämmert:

1) Nach dem Ende der bipolaren Welt sind die USA zugleich Ursache und Verkörperung des Bösen.

2) Deutschland muß sich „entamerikanisieren“, d.h. für Mechtersheimer klipp und klar, sich aus der festen Einbindung in die „westliche Wertegemeinschaft“ lösen, um seine Interessen zu vertreten.

3) Um das leisten zu können, muß Deutschland sich a) national wieder homogenisieren, d.h., „interkulturell statt multikulturell“ werden („Selbst wenn der deutsche Nationalstaat aus anderen Gründen antiquiert sein sollte, allein zur Harmonisierung der ethnischen Vielfalt müßte er wiedererfunden werden“), und b) wieder zu seinen Kerntugenden zurückfinden, Fleiß und ingeniöse Erfindungsgabe, will es im internationalen wirtschaftlichen Wettstreit nicht unterliegen.

4) Aufgrund seiner Geschichte und Eigenarten, des deutschen Wesens eben (laut Mechtersheimer „ausgeprägte innere Multikulturalität“, Friedensliebe und relativer ökologischer Fortschritt), „hat (Deutschland) gute Voraussetzung für eine moralische Großmacht“.

Mechtersheimer liebt es, sich mit unverdächtigen Namen wie Hannah Arendt, Leszek Kolakowski oder Leopold Kohr zu schmücken – die dann allerdings mit absolut nichtssagenden Aussagen zitiert oder auch für die eigenen Zwecke umgebogen werden. Kohr, der den Satz prägte: „small is beautiful“ und den man, wenn überhaupt, dann als Vertreter eines ökologischen Regionalismus (und tendenziell Antietatismus) einordnen kann, wird von Mechtersheimer als Kronzeuge für die angebliche menschliche Grundtatsache des ethnischen – oder mit einem alten Wort: völkischen – Nationalstaats umfrisiert. Osteuropa, und hier vor allem Jugoslawien, liefert Mechtersheimer angebliche und tatsächliche Beweise zuhauf. Aber weder die norditalienischen Ligen noch die Tschechen und Slowaken waren und sind von einem unauslöschlichen „Zugehörigkeitswillen“ zu einer „Stammesgemeinschaft“ („eine Urkraft des Politischen“) beseelt. Vielmehr stehen hier eindeutig wirtschaftliche Motive im Vordergrund.

Ähnlich hanebüchen ist es, wenn Mechtersheimer eine Berechnung zitiert, nach der Deutschland zwischen 1480 und 1940 nur an acht Prozent aller Kriege beteiligt war. Legte man das Berechnungsdatum weit genug zurück, dann würde man es vielleicht schaffen, die Parther zur kriegslüsternsten Nation der Weltgeschichte zu machen. Kaum wundern kann es in solchem Zusammenhang noch, wenn Mechtersheimer offen als historischer Revisionist auftritt („Die deutsche Scham über das nationalsozialistische Deutschland darf nicht endlos ausgebeutet werden ...“ – dies im Zusammenhang seiner Kritik an der Regelung „Rückgabe vor Entschädigung“, wo die Bundesregierung nicht die Kraft besessen habe, sich gegen die Interessen der in vielen Fällen jüdischen Altbesitzer zu entscheiden). Oder wenn die „strukturzerstörende Immigration“ von Fremden und der „gewaltsame Multikulturalismus“ mit Argumenten angeprangert werden, die keinen Deut über dem Niveau von Stammtischparolen liegen (Ausnutzung des sozialen Netzes, Verlust der Identität zwischen zwei Kulturen etc.). Und kaum erwähnenswert auch, daß Mechtersheimer natürlich ein Europa-Gegner ist.

Er läßt einfach nichts aus und argumentiert dabei noch nicht einmal besonders geschickt. Einzig interessant an seinem Buch ist der Tonfall. Es ist, als hätte die Bundesrepublik oder doch zumindest bestimmte Kreise nun das Gefühl der „Niederlage“ von 1945 eingeholt. Der Tonfall von Revanche und Ranküne gegenüber dem Westen und dem politischen System der Bundesrepublik, das aus der Befreiung vom 8. Mai 1945 hervorging, unterscheidet sich kaum von dem Haß, mit dem die nationalistischen und völkischen Anhänger preußischer Tradition die repräsentative Demokratie in Weimar „als Herrschaft der lügnerischen politischen Phrase“ (so der Altphilologe U. v. Wilamowitz-Möllendorf) bedachten. Wenn Mechtersheimer eine „geistige Revolte von unten“ gegen das herrschende „geschäftsmäßige Politikverständnis“ fordert und den Satz von Lincoln („Demokratie ist die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk“) als Irreführung brandmarkt, dann geht das in exakt dieselbe Richtung.

Mechtersheimers Thesen markieren jenen Punkt, an dem sich Ökopax auf der einen und neu erstehender deutscher Nationalismus auf der anderen treffen, gewissermaßen die Ehe zwischen Friedenstauben und Pickelhauben. Das Maß der Übereinstimmung, in die in mehr als nur einem Punkt grüne Programmatik mit antiwestlichem und antidemokratischem Volkstumsdenken gebracht werden kann, stimmt schon bedenklich. Ulrich Hausmann

Alfred Mechtersheimer: „Friedensmacht Deutschland · Plädoyer für einen neuen Patriotismus“. Ullstein Report, 415 S., 29,90 DM

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