: Ein chemisches Experiment
Passen Kirsten Dunst und Orlando Bloom zueinander? Eher nicht, findet Cameron Crowes Ja-aber-Film „Elizabethtown“ heraus
Es gibt diesen „Ja, aber“-Effekt. Er tritt ein, nachdem man die Übung des strengen Urteilens hinter sich gebracht und mithin der Welt bewiesen hat, dass man etwas vom Fach versteht und hohe Ansprüche stellt. Im Anschluss daran kann man dann seine Lässigkeit demonstrieren und nachsichtig sein. Am praktischen Beispiel geht das so: „Elizabethtown“ ist kein wirklich guter Film. Ja, aber er hat ganz nette Stellen.
Zumal Regisseur Cameron Crowe einen Sympathiebonus genießt, schon allein deshalb, weil er als 15-Jähriger bereits den Rolling Stone mit Artikeln beliefert hat. Der Film, den er über diese frühen Erfahrungen im Popbusiness machte, „Almost famous“, war ein kleines Schmuckstück des sonst sehr formelhaften Musikfilmgenres. Außerdem hat Crowe das Drehbuch zu einem der legendären Teeniefilme der Achtziger verfasst, „Fast Times at Ridgmont High“, in dem Sean Penn seinen ersten denkwürdigen Auftritt hat. Seither steht Crowe für einen gewissen „schrägen“ Komödienton, der dem Außenseiter in uns allen ein bisschen Identifikation anbietet.
Mit der Sympathie für die Hauptdarsteller in „Elizabethtown“ sieht es schon weniger eindeutig aus. Nicht alle mögen Kirsten Dunst. Andere gehen extra ihretwegen hin. Mit den Anhängern von Orlando Bloom ist es dasselbe, allerdings spiegelverkehrt: Wer Dunst mag, lehnt in der Regel Bloom ab und anders herum. „Elizabethtown“ ist wahrscheinlich der rare Fall, in dem die „Chemistry“ zwischen den Fans noch hinter der zwischen den Stars zurückbleibt.
Womit wir bei der Diskussion der netten Stellen wären: Da gibt es die Sequenz am Anfang, in der Bloom alias Drew zum letzten Mal in sein Büro geht, seine sichere Entlassung erwartend, weil er als Turnschuhdesigner einen Mega-GAU zu verantworten hat. Auf dem langen Weg dahin treffen ihn lauter mitleidige Blicke, die er stets mit einem weinerlich-tapferen „I'm fine“ quittiert. Alec Baldwin spielt seinen Chef. Väterlich legt er den Arm um ihn und rechnet ihm vor, wie viel Gutes für die Welt man mit dem Geld hätte tun können, das er gerade in den Sand gesetzt hat. Bloom-Fans und -Gegner werden die Stelle gleichermaßen mögen – die einen, weil sie ihn gerne bemitleiden, die anderen, weil sie ihn gerne leiden sehen.
Verständlicherweise will sich Drew am Ende dieses desaströsen Tages umbringen, da ereilt ihn die Nachricht, sein Vater sei gestorben. Mit Leichenbittermiene macht er sich auf nach Kentucky, um die Beerdigung zu organisieren. Man weiß, was kommt: Das mit der existenziellen Verzweiflung wird sich durch die Reise in die väterliche Heimatstadt lösen, und Kirsten Dunst als Stewardess Claire wird dabei eine wichtige Rolle spielen.
Eine der charmantesten Sequenzen des Films zeigt die beiden im Telefongespräch, das zum innigen und mehrere Stunden dauernden Flirt wird. Auf Distanz entwickelt sich eine Vertrautheit, die nicht möglich wäre, wenn sie sich gegenübersäßen. Als sie sich dann doch treffen, haben sie sich nichts mehr zu sagen. Der Film könnte hier eigentlich zu Ende sein. Aber dann wäre es ein Kurzfilm.
Außerdem würde dann die schönste aller Stellen wegfallen. In der hält Susan Sarandon als Drews Mutter eine Trauerrede auf ihren verstorbenen Mann. Es ist ein wirklich peinlicher Auftritt. Mit jedem Satz steigert sie die Peinlichkeit willentlich noch weiter – bis die Stimmung kippt und alle, die sich eben noch auf den Sitzen gewunden haben, in einen völlig hemmungslosen „die Scham ist vorbei“-Jubel ausbrechen. Wie hier Melancholie in Trauereuphorie umschlägt, das reißt auch den Kinozuschauer mit und lässt strenges Urteilen auf einmal ganz unangemessen erscheinen.
BARBARA SCHWEIZERHOF
„Elizabethtown“. Regie: Cameron Crowe. Mit Orlando Bloom, Kirsten Dunst, Susan Sarandon u. a. USA 2004, 138 Min.