Platt-Fuß
: „Ein bisschen verrückt“

■ Auch der eitle Bahnradler Jens Fiedler fährt im Windschatten Jan Ullrichs

Berlin (taz) – Viel haben die beiden nicht gemeinsam. Jens Fiedler und Jan Ullrich, der zweimalige Olympiasieger im Rad-Sprint auf der Bahn und der Tour-Sieger. Nur ganz selten passiert es, dass sich der Telekom-Star einmal in den Windschatten des Bahn-Fahrers begeben muss. Beim Sechstagerennen in Köln kam es zu dem seltenen Ereignis. Der Hallensprecher posaunte los: Sie kennen ihn alle, den bekanntesten deutschen Radfahrer, Jan Ullrich, ich aber stelle Ihnen nun den erfolgreichsten vor – Jens Fiedler, meine Damen und Herren. „Das war ein sehr schöner Vergleich damals“, erinnert sich Fiedler.

Mehr nicht. Fiedler, der gestern in Berlin Keirin-Weltmeister wurde, wird nie die Popularität von Ullrich erreichen. Denn er fährt keine Straßenrennen. Nie macht er das. Auf der Straße käme sich Fiedler wohl vor wie ein Dragster bei den 500 Meilen von Indianapolis. Manchmal wünscht er sich, wenigstens den Berg so runterfahren zu können wie der Merdinger. „Vom Berganfahren ganz zu schweigen.“ Aber hätte Ullrich bei der Straßen-WM Fiedlers Oberschenkel-Power gehabt, sagt der Sprinter, er wäre glatt Weltmeister geworden.

Fiedler arbeitet dran, gut beleuchtet im Spotlight der Öffentlichkeit zu stehen. „Ich muss den Leuten was bieten“, sagt er. Der 29-Jährige sitzt auf einem Rad, das Checker Pig heißt. Von seinem Helm stiert ein Tierkopf. Vor sechs Jahren wurde Fiedler Profi. Er fährt für das Chemnitzer XXL-Team unter Leitung von Michael Hübner, dem Ex-Sprinter. Fiedler: „Für die Amateure ist es das Wichtigste, Erfolg zu haben. Da fängt es beim Profi aber erst richtig an.“ Man müsse sich vermarkten können, interessant sein für das Publikum, sagt er. „Ich will mich abheben von anderen.“ Er versucht das mit seiner „komplexen Ausstrahlung“.

Aus jeder Pore quoll sein Selbstbewusstsein, wenn er sich im Berliner Velodrom zur Bahnrad-WM zeigte. Wie er sich etwa sein Hemd auszog, der muskulöse Oberkörper zum Vorschein kam, ein Konkurrent nebenan jedoch Gleiches tat, noch muskelbepackter wirkte, und Fiedler konterte: „Okay, aber dafür ich bin schöner.“ Oder wie er mit der Fingerpistole seinen Halbfinalgegner Arnaud Tournant abschoss, der ihm einen Lauf geklaut hatte. „Du musst als Sprinter ein bisschen verrückt sein, ein Chaot.“

Fiedler trägt gern dunkle Anzüge und seinen Siegeswillen offen zur Schau. Er sagt: „Ich versuche immer der sportlich faire Gentlemen zu sein.“ Als erfolgreicher Bahnfahrer ist sein Motto aber auch: „Heute trainieren, morgen kassieren.“

Fiedler, der seine Sponsoren gern in jeden dritten Nebensatz packt, fehlen im Vergleich zu Ullrich ein paar Mark. Auf etwa 100.000 kommt er im Jahr. In dieser Saison noch ein bisschen weniger, denn er hat der WM-Vorbereitung Werbetermine geopfert. Zum WM-Sieg im Sprint-Finale gegen den Franzosen Laurent Gane hat es am Samstag trotzdem nicht gereicht. Im ersten Lauf gewann zwar der Sachse, dann wurde er aber von der Jury distanziert. Er hatte seinen Konkurrenten auf die Côte d'Azur geschickt, wie das blaue Band im Inneren des Rad-Ovals heißt. Die anschließenden zwei Läufe gewann der Franzose, der dann gestern im Keirin-Halbfinale disqualifiziert wurde, was Fiedler den Weg zum Triumph ebnete.

Der Deutsche war schon am Samstag mit 10,06 Sekunden die schnellste Zeit aller Sprinter gefahren. Bei Olympia nächstes Jahr in Sydney 2000 will er noch schneller „keulen“. Dreifacher Olympiasieg, das ist noch keinem gelungen. „Im Kopf bin ich dazu bereit“, sagt er. Markus Völker