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„Ein bißchen sozialer“

■ Am Samstag fand in Kassel der Auftakt zum SPD–Wahlkampffinale statt / Rau forderte eine Regierung der“nationalen Würde und sozialen Gerechtigkeit“

Kassel (dpa) - Unter dem Motto „Johannes Rau bei uns“ begann am Samstagabend in Kassel die erste von 14 Großveranstaltungen, mit der die SPD neue Akzente in der Schlußphase des Wahlkampfs für die Bundestagswahl am 25. Januar setzen will. SPD–Kanzlerkandidat Johannes Rau präsentierte sich in der Kasseler Eissporthalle im Rahmen eines bunten Unterhaltungsprogramms bei einer „Talk show“ mit der Fernsehjournalistin Gisela Marx. Mit den „Talk shows“ will die SPD den „politischen Frontalunterricht“ herkömmlicher Wahlveranstaltungen vermeiden. Dabei wird der Kanzlerkandidat zusammen mit den jeweiligen SPD–Bundestagsabgeordneten dem Publikum „vorgestellt“. Die Veranstaltungen werden zudem von zahlreichen Künstlern wie Hans Scheibner, Anne Haigis und Ulrich Roski unterstützt. Rau rief alle Sozialdemokraten zu drei Wochen harter Arbeit „für vier gute Jahre“ auf, räumte aber ein, auch mit einem Wahlsieg der SPD werde nicht sofort all das wieder in Ordnung kommen, was ins Lot gebracht werden müsse. „Ein bißchen gerechter, ein bißchen menschlicher, ein bißchen sozialer“ werde es aber zugehen, wenn die Sozialdemokraten das Sagen hätten. „Es geht darum, daß die soziale Kälte nicht die Normaltemperatur in dieser Republik wird“, rief Rau vor den rund 5 500 Zuhörern. Die Bundesrepublik brauche wieder eine Regierung der nationalen Würde und der sozialen Gerechtigkeit, die dem Land in der Welt wieder Ehre mache. Die Politik der derzeitigen Bundesregierung sei dagegen gekennzeichnet von Pannen, Skandalen, Entgleisungen und Vertrauensbrüchen. Die Bundesrepublik brauche wieder eine selbstbewußte Regierung, die sich nicht zum Mitläufer der jeweiligen US–Regierung degradieren lasse. Das einzige, was die Regierung Kohl international zuwege gebracht habe, sei die politische Unterstützung für das moralisch, ökonomisch und militärisch unsinnige und unverantwortliche SDI–Programm, meinte der SPD–Politiker. Rau setzte sich dafür ein, in der Umweltpolitik klare und strenge Rahmenbedingungen für die Industrie zu erlassen und den Kampf gegen die Umweltkriminalität zu verschärfen. Die Bundesregierung kritisierte er für ihren „selbstgefälligen Optimismus“. Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann erinnere an jemanden, der aus dem 99. Stockwerk eines Wolkenkratzers springt und beim 49. Geschoß ruft: „Bis hierher ist alles gut gegangen“. Die Bundesregierung habe die aufgrund des Ölpreisverfalls günstige Konjunktur nicht genutzt, um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen.

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