■ Ein bißchen Trauer um das Beamtentum ist angebracht: Die Vorteile von Pflicht und Ordnung
„Der gute und der schlechte Briefträger“ – so war ein Doppelplakat betitelt, das in Polen vor der Wende für die hohe Arbeitsmoral des Briefträgers warb. Der „gute“ Briefträger wirkte auf dem Plakat adrett, überaus höflich mit den Kunden. Sein „schlechter“ Kollege dagegen war unrasiert, in schlampiger Uniform, schludrig im Verteilen der Briefe. Das Plakat sollte die polnischen Postzusteller zu korrekter Arbeit ermahnen, gerade weil sie nicht Beamte waren. Hierzulande brauchte es solche moralischen Appelle nicht. Denn wer als Briefträger den Beamtenstatus genoß, hatte Privilegien und damit auch einen Schuß Extra- Motivation. Motivation nicht zur Leistungssteigerung, sondern vor allem zur korrekten Pflichterfüllung. Denn entlassen werden kann nur, wer gegen seine Beamtenpflichten verstößt, nicht etwa wer langsam und umständlich ist.
Damit ist schon vieles über den Beamtenstatus gesagt – und über den Paradigmenwechsel in einer Leistungsgesellschaft, die jetzt nicht nur von linker, sondern auch von konservativer Seite den Abbau des Beamtentums fordert. Das geht zwar gut runter – Weg mit den Beamten, die Bürger nur drangsalieren –, aber der Preis für den Abbau der Privilegien gerät dabei leicht aus dem Blickfeld.
Zunächst einmal: Die meisten Beamten gibt es im unteren und mittleren Dienst. Es geht vor allem um die Erwerbsidentität von Kleinbürgern. Um eine Aufwertung von Tätigkeiten, die marktwirtschaftlich betrachtet zu einem großen Teil auch durch angelernte Hilfskräfte bewältigt werden können. Beim Briefträger zum Beispiel braucht es nur die Kenntnis des Alphabets. Die öffentliche Diskussion um den Abbau des Beamtentums ist so gesehen auch eine Neidkampagne von Kleinbürgern gegen Kleinbürger. Das gegenseitige Aufrechnen läßt sich am Streit zwischen Deutscher Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und Deutschem Beamtenbund (DBB) verfolgen: Zwei gewerkschaftliche Vertretungen streiten darum, welche Arbeitskraft die billigste ist! Von der Kampagne, die aus rein finanzieller Not von der Politik gestartet wurde, ist dabei wenig Demokratisierendes zu erwarten. Zum einen, weil der Staat kaum dort Beamtenstellen abbauen wird, wo ihm Staatsdiener teuer sind. Im Sicherheitsbereich zum Beispiel. Zum zweiten aber stirbt mit der Ausbreitung des Leistungsprinzips im öffentlichen Dienst auch ein Stück Wohlfahrt für das Kleinbürgertum, ja ein Stück vom Kleinbürgertum selbst. Denn eine Arbeit nicht unbedingt besser machen zu müssen als der Konkurrent, sondern einfach nur korrekt, hat ja auch was für sich. Das sollten Rechte wie Linke bedenken, wenn es darum geht, die Privilegien beamteter Schreibkräfte, Feuerwehrleute und Lehrer einzuebnen. Barbara Dribbusch
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