: Ein Weltrekord, der nicht hilft
■ Die Turnierveranstalter sind froh, daß endlich junge Spielerinnen wie Venus Williams und Anna Kournikowa nachrücken, aber in Wimbledon gewinnen doch weiter nur die Etablierten
Wimbledon (taz) – Wimbledon doch wie immer. Erdbeeren zum Horrorpreis für eine Mark das Stück, kreischende Frauen, wenn der Engländer Tim Henman oder der Australier Patrick Rafter auftritt, Favoritenstürze von Rios, Kafelnikow und dem Briten Greg Rusedski, der – Sport verkehrt – von seinem Trainer Tony Pickard in einer der zahlreichen Regenpausen wegen Vertrauensverlust entlassen worden ist.
Auch im Frauentennis regiert eher Kontinuität. So spielten sich sechs der ersten sieben Gesetzten ins Viertelfinale. Lediglich Steffi Graf, die vom Veranstalter ein „special seeding“ an Platz vier erhielt, scherte durch ihre frühe Niederlage aus dieser Reihe aus. Ins Bild paßt da, daß die Französin Nathalie Tauziat (30) gestern durch ein 6:3, 6:3 gegen die Weltranglistenzweite Lindsay Davenport (22) in das erste Grand-Slam- Halbfinale ihrer nun auch schon 14 Jahre währenden Karriere eingezogen ist. Ebenso überraschend war der 7:6 (7:4), 6:2-Erfolg von Graf-Bezwingerin Natascha Zwerewa gegen Monica Seles. Die Doppelspezialistin aus Minsk zog bei ihrem zwölften Anlauf in Wimbledon erstmals ins Semifinale ein.
Auch das Viertelfinale zwischen Titelverteidigerin Martina Hingis und Arantxa Sanchez-Vicario entwickelte sich nach anfänglicher Dominanz der Schweizerin doch noch zu einem Krimi. Die Spanierin, ausgestattet mit erkennbar neuem Selbstvertrauen nach ihrem Sieg bei den French Open in Paris vor drei Wochen, holte sich mit ihrer bekannt emsigen Laufarbeit den zweiten Satz und hielt auch im dritten lange gut mit. Dann siegte doch wieder die Spielintelligenz der 17jährigen gebürtigen Slowakin über das Rennen an der Grundlinie. Hingis rang hinterher nach Luft: „Es war wie auf einem Hartplatz. Lange, anstrengende Ballwechsel, sie hat wieder fast jeden Ball erlaufen.“ Keine plaziert die nicht einmal hart geschlagenen Bälle so genau wie Hingis. Eigentlich kann sie gar nicht hart schlagen. Ihren Aufschlag murmelt sie auch nur über das Netz. Beim Matchball zum 6:3, 3:6, 6:3 war er gerade mal 100 Stundenkilometer schnell.
Exakt 201,1 Stundenkilometer schaffte dagegen Venus Williams. Absoluter Weltrekord bei den Frauen. Die 18jährige US-Amerikanerin ist zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Serena und der Russin Anna Kournikowa momentan die schillerndste Figur im Frauentennis und für die Spielerinnenvereinigung WTA ein Geschenk des Himmels. Herrschte doch zuvor große Langeweile und Desinteresse der Turniersponsoren. Womöglich hätte man sich sogar an die ATP-Tour der Männer anhängen müssen, um zu überleben. Das ist offenbar vom Tisch. Doch die Attacke der „jungen Wilden“ wurde in Wimbledon von den Etablierten vorerst abgewehrt. Auch die 18jährige Venus Williams, immerhin Siebte der Weltrangliste, schied gestern 5:7, 6:7 gegen Jana Nowotna aus Tschechien aus. Und die ist bekanntermaßen auch nicht mehr die Allerjüngste.
Steffi Graf übrigens freut sich, hat sie gesagt, auf die US Open im August. Die 29jährige fühlt sich endlich wieder verletzungsfrei. Karl-Wilhelm Götte
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