: Ein Wechsel ist möglich
Wie beim Strom können alle Deutschen nun auch ihren Gasanbieter frei wählen – das geht ganz einfach. Man muss es nur tun
VON BERNWARD JANZING
Nun ist es amtlich: Der kommende Herbst wird neue Freiheiten für Gaskunden bringen. Vom 1. Oktober an werden auch Haushaltskunden ihren Gaslieferanten wechseln können – diesen Termin hat die Bundesnetzagentur gestern mit der Gaswirtschaft vereinbart. Der Wechsel soll ähnlich einfach vonstatten gehen, wie man es seit einigen Jahren schon vom Strommarkt kennt: Ein Schreiben an den neuen Lieferanten und eine Kopie der letzten Rechnung, und dann regelt der neue Versorger den Rest.
So einfach das Verfahren für die Kunden sein wird, so groß war die Herausforderung für die Branche und deren Aufsichtsbehörde. Denn künftig werden stets mehrere Akteure von jedem Liefervertrag tangiert sein. Gesucht wurde ein Weg, wie das Geschäft für die betroffenen Unternehmen möglichst praktikabel abgewickelt werden kann.
Bisher kaufte ein Versorger Erdgas ein und verteilte dies über sein eigenes Netz an seine Kunden. Die hatten keine Wahl und bekamen nur dieses Gas – oder eben gar keines. Buchhalterisch war das einfach. Künftig werden aber auch fremde Anbieter ihr Gas durch die bestehenden Netze leiten können, was vielschichtigere Geschäftsbeziehungen nach sich zieht. Weil hierfür die Unternehmen im Hintergrund einiges umorganisieren müssen, arbeiten sie derzeit intensiv daran, wie dies gehen kann. So muss zum Beispiel eine entsprechende Software für die Abrechnungen her – und das braucht seine Zeit.
Ziel der Liberalisierung ist es jedenfalls, einen so genannten diskriminierungsfreien Zugang zum Netz zu schaffen. Das heißt, jeder Anbieter wird künftig die Möglichkeit haben, Gas an jeden beliebigen Kunden zu bringen – unabhängig davon, ob der Lieferant Netze besitzt oder nicht. So werden sich, ähnlich wie bereits auf dem Strommarkt, in den kommenden Jahren auch auf dem Gasmarkt Firmen etablieren, die keine eigenen Netze besitzen. Und jene Unternehmen, die in einer bestimmten Region das Netz betreiben, werden künftig auch in Netzen von Mitbewerbern als Anbieter auftreten.
So kann sich – sofern die Kunden den Wettbewerb annehmen und nicht wie beim Strom bei ihrem Altanbieter verharren – ein lebhafter Markt entwickeln. Wie wechselfreudig die Kunden aber reagieren werden, traut sich in der Branche derzeit niemand abzuschätzen. Auch bei der Bundesnetzagentur heißt es nur: „Wir machen dazu keine Prognosen.“
Obere Prämisse der Netzagentur, die aus der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hervorging, war bei alldem eine möglichst pragmatische Organisation des Gasmarktes. Hier konnte man aus den Erfahrungen am Strommarkt mit seinen ähnlichen Strukturen erheblich profitieren. Zumal es noch eine entscheidende Parallele zum Strommarkt gibt: Auch auf dem Gasmarkt wird der Kunde nur virtuell die Energie erhalten, die sein Lieferant einspeist. Ein Kunde in Stuttgart etwa, der sich Gas eines Hamburger Anbieters liefern lässt, bekommt das Gas nicht physisch in sein Haus geleitet. Der Lieferant speist schlicht in Hamburg sein Gas ein, und der Kunde entnimmt gleichzeitig in Stuttgart Gas aus dem Netz. Die „Durchleitung“ findet nur auf dem Papier statt.
So werden Gashändler, die in fremden Netzgebieten antreten, trotz der Vielzahl der womöglich betroffenen Netzbetreiber nur zwei Verträge brauchen: einen Einspeisevertrag mit demjenigen, der das Gas aufnimmt; und einen Ausspeisevertrag mit dem Netzbetreiber des Gaskunden. „Alle weiteren für die Abwicklung des Netzzugangs notwendigen Maßnahmen werden im Innenverhältnis der Netzbetreiber untereinander abgewickelt“, erklärt Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur.
Für den Gaskunden heißt das, dass er seine Gasrechnung wie bisher komplett an seinen Lieferanten bezahlt. Der führt an die Netzbetreiber ein Netzentgelt für die Nutzung der fremden Infrastruktur ab. Jeder Netzbetreiber, aus dessen Netz Gas an Kunden geliefert wird, muss die Höhe der Netznutzungsentgelte veröffentlichen. „Auf diese Weise wird eine Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit der Netznutzungsentgelte ermöglicht“, heißt es bei der Netzagentur. Diese Preistransparenz ist unabdingbare Voraussetzung für einen funktionierenden Markt. Schließlich handelt es sich bei den Netzen um eine Art natürliches Monopol. Und das wird auch immer so bleiben.