: Ein Urteil und seine Botschaft
betr.: „Recht, nicht Gerechtigkeit“, taz vom 14. 11. 00
Wir sind ein Team von PädagogInnen und AusbilderInnen in der berufsvorbereitenden Arbeit mit jungen Erwachsenen verschiedener Ethnien in einer kleinen Industriestadt Mittelhessens. [...] Unser Auftrag besteht darin, die TeilnehmerInnen in ihrer persönlichen und beruflichen Reife zu fördern. Das heißt, wir vermitteln Werte, wie sie im Grundgesetz verankert sind, und lehren Schlüsselqualifikationen wie Kooperations-, Team-, Kommunikations- und vor allem Konfliktfähigkeit. Wir arbeiten mit einer Klientel, das teilweise schon selbst Gewalt erfahren musste oder auch teils selbst Gewalt angewendet hat. Mit diesen ringen wir in der alltäglichen Arbeit um den Umgang mit Werten wie Toleranz, Respekt und Würde für das Gegenüber. [...]
Ein Gerichtsurteil, welches aussagt, dass in Deutschland immer noch weitgehend ungestraft Menschen zu Tode gehetzt werden dürfen, fällt unserer Arbeit direkt in den Rücken. Wir sind entsetzt und empört, welche Doppelbotschaft hier vermittelt wird: einerseits wird in einem „Aufstand der Anständigen“ prominent und medienwirksam für Menschlichkeit auf die Straße gegangen und andererseits wird überzeugten Tätern für rassistisches Töten indirekt Recht zugesprochen. Dieses Urteil empfinden wir als beschämend und als eine Verhöhnung der zahlreichen Opfer rechtsextremer Gewalt sowie unserer eigenen Bemühungen um Vermittlung demokratischer und grundgesetzlicher Werte an junge Erwachsene. Hier wird schamlos die Botschaft in die Öffentlichkeit transportiert, dass Rechtsextremismus und Rassismus in seiner Symbolik und seiner grauenhaften Ausführung gesellschaflich akzeptiert und juristisch kaum sanktioniert werden.
SIBYLLE BECHER, OLIVER DAHN, KARL-HEINZ HANSER,
JENNY MÜLICH, JOHANNE SIEBERG, KATHARINA STRAUSS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen