■ Nachruf: Ein Unsentimentaler
Der österreichische Schriftsteller Albert Drach hatte eigentlich lange genug mit der Ignoranz gekämpft, bis ihm 1988 der gebührende Ruhm zukam. Aber als er den begehrten Büchner-Preis erhalten sollte, schaltete sich Marcel Reich-Ranicki mit einem Korruptionsverdacht ein: Drachs Verleger Michael Krüger (Hanser) saß auch in der Preis-Jury. Später hat Drach seine Begegnung mit unserem Lautesten einmal so geschildert: „Ich hab gesagt: ,Was sie da sagen über das Times Literary Supplement ist ein vollkommener Blödsinn, das ist eine der besten Zeitungen überhaupt in Europa, über mich haben sie in drei Artikeln geschrieben, und das letzte Mal haben sie gesagt, ich und der Canetti seien die größten Avantgardisten im deutschen Sprachraum.‘ Darauf wurde der Mann still.“
Den Büchner-Preis hat er dann doch bekommen, späte Bestätigung für einen Autor, der sein Hauptwerk bereits vor dem Zweiten Weltkrieg geschaffen hatte. Erst 1964 war der 1938 geschriebene Roman „Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum“ verlegt worden, die Geschichte eines galizischen Juden, der wegen vermeintlichen Diebstahls und Brandstiftung in die Hände der Justiz gerät. Zum Thema dieses Buchs hatte Drach eine nahe Beziehung: Er war promovierter Jurist und führte eine Anwaltspraxis. Mit den weiteren Bänden der Ausgabe, einer Sammlung von Dramen, einem Erzählungsband, autobiographischen Berichten, die weithin ignoriert wurden, sank er dann langsam wieder ins Abseits.
Foto: AP
1988 kam mit dem Wechsel zum Hanser Verlag, der eine neue Werkausgabe anging, eine späte Wende. Jüngere österreichische Kritiker entdeckten Drach nun als hervorragenden Stilisten und als Zeitzeugen – in der „Unsentimentalen Reise“, dem ersten nun wiederaufgelegten Buch, hatte Drach von der Emigration berichtet, zu der er 1938 als Jude gezwungen worden war. Am Montag ist Drach, der seit seiner Rückkehr 1947 ein Stachel im Fleisch des österreichischen Literaturbetriebs war, im Alter von 92 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben. jl
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