: Ein Segen für die Republik
betr.: Dossier „1968“, taz vom 27./28. 1. 01
Halb betäubt von den schier endlosen willfährigen Kommentaren und Hintergrundberichten um Fischers Vergangenheit und dem Geschrei eines politischen Lagers, das sehenden Auges die Verantwortung für 16 Jahre illegaler Schwarzgeldkonten und Mitwisserschaft unter den brutalstmöglich geknüpften Teppich kehrt, rufe ich heraus: „Ja, der von der außerparlamentarischen Opposition Ende der 60er-Jahre eingeleitete gesellschaftliche Umbruch war ein Segen für die Republik!“ Den vielen Menschen, die gegen verkrustete gesellschaftliche Strukturen, korrupte Wirtschaftsmachenschaften, Wettrüsten, Gewalt, Atomkraft und Umweltzerstörung demonstriert haben, gebührt ein Dankeschön, die bloße Reduzierung der Geschehnisse auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen von Polizei und Demonstranten wird der Sache nicht gerecht. Es war ein Akt der Vernunft und ein Anfang, viele überholte Barrikaden in den Köpfen der Menschen niederzureißen. Die heutige Auseinandersetzung mit den Gewalttätigkeiten Ende der 60er- und in den 70er-Jahren, die Rolle der Parteien und der Privatperson Joschka Fischer findet in einem Land statt, in dem staatlich legitimierte Gewalt gegen Andersdenkende oftmals auch heute noch politisches Handeln ersetzt, wenn Demonstranten eingekesselt und Demonstrationen von Polizisten gewaltsam aufgelöst werden, wie allenthalben in Gorleben oder kürzlich in Dortmund. Jede Generation sucht sich ihren Weg, Antworten auf brennende gesellschaftliche Fragen zu finden. Sollten wir nicht glücklich sein über eine politisierte 68er-Generation, wo doch heute allzu oft eine die Massen fesselnde Frage lautet: „Wer gewinnt die nächste Reality-TV-Show?“ THOMAS EHLERT, Essen
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