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Ein Schicksal in neun Minuten

Vom 5. und 11. Juni findet in Hamburg das 34. Internationale Kurzfilm-Festival statt. Ein kleiner Ausblick auf die Wettbewerbe

Von Wilfried Hippen

Die Bilder zeigen eine Idylle: in den sommerlichen Wallanlagen erholen sich die Hamburger, flanieren . Die Bilder sind Schwarzweiß und deshalb immer kühl und irgendwie doch nie zu schön. Auf der Tonebene erzählt eine junge Frau davon, dass sie aus ganz anderen Gründen ihren Kinderwagen durch die Parklandschaft schiebt. Der Vater ihrer Kinder sitzt in dem Gefängnis an der Grenze zum Naherholungsgebiet ein. Über die Mauern hinweg rufen sich die Angehörigen draußen und den Insassen Nachrichten zu.

Nicht immer direkt, denn nicht jeder im Gefängnis hat ein Fenster zum Park hinaus, aber ein anderer Häftling ruft dann die Nachricht sowie die Antwort weiter und so können viele das Zwiegespräch mit anhören. Die namenlos bleibende Frau erzählt davon, wie schwer es für sie ohne den Vater der beiden Kindern ist, wie die Tochter ständig nach dem Vater fragt und die Notlüge von dessen langem Urlaub immer weniger glaubt.

Katharina Binz braucht nur neun Minuten, um dieses Familiendrama in ihrem Kurzfilm „Mauerrufe“ zu erzählen. Die konsequente Trennung von Bild- und Tonebene ist dabei das entscheidende Stilmittel, denn so macht sie deutlich, wie nah das Vergnügen der einen und die Verzweiflung der anderen sein können.

Auf dem 34. Internationalen Kurzfilm-Festival läuft „Mauerrufe“ im Hamburger Wettbewerb. An sieben Tagen werden rund 400 Filme gezeigt. Es werden etwa 14.000 Besucher in das Zeise Kino, 3001 Kino, Metropolis, B-Movie, den Filmraum und einige andere Spielorte kommen. Auf dem Postgelände am Kaltenkircher Platz gibt es zudem in diesem Jahr ein neues Festivalzentrum.

Die Filme werden in verschiedenen Kategorien und Wettbewerben gezeigt. Im internationalen Wettbewerb wird etwa mit „Imperial Valley (Cultivated Run-Off)“ des Österreichers Lukas Marxt einer der ersten Filme gezeigt, der nur aus Aufnahmen von Kameradronen besteht. Diese fliegen über eine der größten Regionen industrieller landwirtschaftlicher Produktion in Kalifornien. In 14 Minuten zeigt dieser Experimentalfilm, wie Landschaft und Natur hier wie in einer Fabrik gestaltet, umgeformt und instrumentalisiert wurden.

Im deutschen Wettbewerb ist „SOG“ von Jonatan Schwenk zu sehen. Ein etwa zehn Minuten langer Animationsfilm, bei dem mit Realfilm, Zeichentrick, Stop-Motion und Digitaltechnik gearbeitet wurde, die sich nahtlos zu einer Einheit zusammen fügen. Der Film spielt in einer apokalyptischen Fantasiewelt. In einer Höhle hausen schwarze, zottelige Wesen, die eines Tages durch Fische geweckt werden, die in den Ästen der Bäume hängen und kläglich schreien. Die Geschichte, die sich aus dieser Grundsituation entwickelt, ist so elementar, dass sie wie eine Parabel wirkt.

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