Ein Raum für sich: Hohlraum oder Zwischenreich
■ James Geccelli in Nürnberg: Berliner Sensualismus, ein Handwerkszweig
Er ist der älteste Kunstverein Deutschlands und so sieht er auch aus. Am Nordrand der Nürnberger Innenstadt gelegen, in einem schmalen Haus. Die Räume sind ein Schlauch zwischen den Fenstern zur Straße und dem Fenster zum Hof. Jenseits des Hofs gibt es eine Kammer, die mit einem schweren Tau vom Katalogelager und Sekretariat museal getrennt wird. Weil die Leute sonst immer denken, die Ausstellung gehe dort weiter, wie mir bedeutet wird. Und so ist es ja auch: Wir suchen immer nach den Zeichen der Kunst, wo ihr Vorhandensein unwahrscheinlich wird. Das ist ihr eigentlicher Nachkriegserfolg. Die Frage stellt sich inzwischen umgekehrt, wie der Künstler einen Raum für sich überhaupt noch glaubhaft markieren kann.
James Geccelli tut das in Nürnberg mit einem runden schwarzen Etwas, das sich im Schaufenster festgesaugt zu haben scheint und – um die Richtung mal anzudeuten – mit einer kleinen Röhre in den Innenraum weist. Das Röhrenmotiv setzt sich in den meisten der Arbeiten, die drinnen zu sehen sind, fort; mal deutlicher, wie in einem schwarz lackierten Glastischchen, das auf fünf Röhrenfüßen steht, also die Schaufensterarbeit vervielfacht und in die Waagerechte übersetzt. Oder fast nicht sichtbar, wie in der wahrscheinlich besten Arbeit der Ausstellung, die namenlos deutlich über Kopfhöhe montiert ist und von vorn vage an eine Hutkrempe erinnert. Tritt man näher an die Wand heran, sieht man ein kompliziertes Gebilde aus fünf Ringen, die als mehrfach durchbrochener Trichter aus der Wand steigen – Brueghels babylonischer Turm, gekreuzt mit einem von Ungeziefer zerfressenen Luftfilter.
Geccellis Arbeiten sitzen in einem Hohlraum oder Zwischenreich: sie sind weder massiv noch gänzlich fragil, weder Kippenberger-mäßig hingerotzt noch Judd- mäßig industriell. Das Encounter der Materialien ist eher unwahrscheinlich: Glas, Aluminium und Klorollen; aber es wird weder als extreme Finesse der Montage noch als Affront auf angebliche „Sehgewohnheiten“ vorgeführt. Geccellis Ästhetik ist kauzig und gesucht; sein Rückgriff auf Plumpes wiederum ist eher elegant. Die Zeichenblätter mit ihrer vornehmen Massierung leicht unscharf wiedergegebener Lochvarianten sind gewiß nicht der Schlüssel zu einem System, von dem man ahnt, daß es sich aus Gelesenem nährt. Jedenfalls ist der Nexus nicht das Gesehene: dafür sind die Assemblagen zu langsam, zu verwegen, irgendwie nichts richtig ähnlich.
James Geccelli ist nicht allein in seinem Zwischenreich. Es gibt in Berlin mehrere Künstler jenseits der Mitte dreißig, die die breiten Pfade der Postmoderne – Insistieren im Simulakrum oder die Rückkehr zur allegorischen Repräsentation – gescheut haben. Langsam wird ein Berliner Sensualismus sichtbar, ein minimalistischer Handwerkszweig, dessen Nähe zum Schwarz, zum Gelblichen, zum Farblosen ein Spezifikum ist. Bernhard Garbert gehört dazu (der neulich im Neuen Berliner Kunstverein zu sehen war) oder Dittmar Krüger, dessen akkurat deklinierte Zauberkästen man zur Zeit in Mainz sehen kann (Galerie Grosse Bleiche, bis zum 5. Mai). Sie alle kommen von der Hochschule der Künste, deren (unlösbarer) Konflikt um Gegenständlichkeit und Abstraktion bei den Künstlern des Zwischenreichs langsam, aber gar nicht so überraschend Resultate zeitigt. Ulf Erdmann Ziegler
James Geccelli, Albrecht Dürer Gesellschaft Nürnberg. Bis 8. 4, Di-Fr 14-18, Sa/So 11-14 Uhr. Katalog 20 DM
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