: Ein Professor ohne Zweifel
Erster Prozess zwölf Jahre nach dem Strahlenskandal am Uniklinikum Eppendorf: Suspendierter Chefarzt Klaus-Henning Hübener muss sich wegen fahrlässiger Tötung einer Patientin verantworten. Und stellt sogleich klar, dass er nicht schuldig sei
Von Maja Abu Saman
Die Zuhörer im Saal 390 des Hamburger Landgerichts könnten ein Medizinstudium gut gebrauchen, um zu verstehen, was der Angeklagte zu seiner Verteidigung vorbringt. Immerhin steht in einer Ecke des Raums eine vergilbte Schautafel mit den Lymphbahnen des Menschen zur Ansicht. An die Prozessbeteiligten lässt der beschuldigte Professor Dr. Dr. Klaus-Henning Hübener seine Ausführungen schriftlich verteilen.
Der 62-jährige frühere Chef der Radiologie des Hamburger Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) muss sich zwölf Jahre nach Bekanntwerden des Strahlenskandals am UKE und sechs Jahre nach dem Tod einer Krebspatientin wegen fahrlässiger Tötung in einem Fall verantworten. Und Hübener stellt sogleich klar, dass er nicht schuldig sei.
Er habe die Frau weder selbst behandelt noch gesehen. Das Therapiekonzept sei gut und richtig gewesen, das belegten diverse Gutachten, behauptet der Mediziner, der 1986 die Leitung der UKE-Radiologie übernommen hatte. Laut Anklage war die Patientin aber „entgegen den Regeln der ärztlichen Kunst“ mit überhöhten Strahlendosen behandelt worden und daran letztlich gestorben. „Sie hätte“, erwidert Hübener, „auch bei einer anderen Strahlentherapie keine Chance gehabt, länger zu leben.“
Hübener arbeitete damals nach der inzwischen wieder verworfenen „Sandwich-Methode“, bei der Krebspatienten vor und nach einer Operation bestrahlt wurden. Dabei häuften sich am UKE Fälle von Strahlenschäden wie schwerste Verbrennungen oder andere qualvolle Nebenwirkungen.
Das sorgte 1993 als „UKE-Strahlenskandal“ für Schlagzeilen. Rund 300 Opfer oder ihre Angehörigen meldeten Schadenersatzansprüche an, gut die Hälfte wurde abgelehnt. Die anderen Patienten wurden mit rund elf Millionen Euro entschädigt. Der Rest der bisher ausgezahlten insgesamt knapp 20 Millionen Euro ging an Krankenkassen oder für juristische Auseinandersetzungen drauf.
„Strahlenfolgen sind nie vermeidbar, auch bei anderen Methoden nicht“, sagt Hübener und bezeichnet seine Therapie als den „risikoreicheren Weg in Einklang mit dem internationalen Wissensstand“. Von „moderaten Spätfolgen“ für die fragliche Patientin spricht er. Sie sei 1999 im Alter von 67 Jahren an einer Blutvergiftung gestorben, elf Jahre nach der Strahlentherapie. Ihr Tod sei eine „unglückliche Interaktion“ von sehr späten Behandlungsfolgen und Altersdiabetes gewesen, meint der Mediziner, der bereits 1993 vom Dienst suspendiert worden war.
„Er hat die Verantwortung getragen, darum muss er sich hier verantworten“, betont hingegen Patientenanwalt Michael Oltmanns. Der Anwalt findet es geradezu „abenteuerlich“, dass Hübener behauptet, die 67-Jährige sei an Diabetes gestorben. Es lasse sich belegen, dass ihr Tod Folge der Bestrahlungen sei. Aus der Fülle von Expertisen habe „Hübener sich nur das aus den Gutachten herausgepickt, was ihm passt.“ Gleichzeitig stellt Oltmanns klar: „In diesem Prozess geht es nicht um den Strahlenskandal insgesamt, sondern um den Einzelfall.“
Der Vorsitzende Richter sieht das ähnlich und spricht von einem „Einzelschicksal“. Der Angeklagte habe lange auf die Klärung der Vorwürfe warten müssen. Der Richter ist überzeugt, dass der Professor ebenfalls ein Opfer des so genannten Strahlenskandals ist.
Hübeners Anwalt Wolf Römmig sagt am Rande des Prozesses, sein Mandant habe lange darauf gewartet, „seinen Standpunkt öffentlich vorzutragen“. Es sei ihm ein Anliegen gewesen, das er sehr sorgfältig vorbereitet habe. Hübener habe die Frau zwar nicht gekannt, sei aber für das Behandlungskonzept zuständig gewesen, räumt er ein.
Der Prozess wird fortgesetzt.