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Ein Philosoph fürs Grobe

■ In ihrem Dokumentarfilm Slavoj Zizek – Liebe dein Symptom wie dich selbst zeigt Claudia Willke den Spaß im Ideologischen

Unsere hochtechnisierte und durchmedialisierte Mehrwert-Kultur produziert enorme Mengen Abfall, trash and pulp, und flößt uns gerade damit zu aller Beruhigung ein: So ist es, so war es und so wird es immer sein. Was bisher fehlte, das war ein Müll-Scout wie der slowenische Philosoph, Psychoanalytiker und Medientheoretiker Slavoj Zizek.

Zizek tingelte lange Zeit durch die Lande, wurde zwischen Ljubljana und New York als Geheimtip herumgereicht und machte besonders durch seinen enormen publizistischen Fleiß sowie seinen virtuosen Vortragsstil auf sich aufmerksam. Jetzt kommt ein Film über ihn: Slavoj Zizek – Liebe dein Symptom wie dich selbst, hergestellt von Katharina Höcker und Claudia Willke. Ein knapp einstündiges Portrait entstand. Mehr noch: Zizek ist der gesuchte Mann fürs Grobe. Müll? Geschmacklosigkeit? Kein Problem für ihn!

Zizek liest die Populärkultur wie andere ihre dicken Bücher. Ohne eine gehörige Portion Psychoanalyse aus dem Hause Jacques Lacan, eine Prise Ideologiekritik a la Louis Althusser und allerlei andere Theorie geht das allerdings nicht ab. Das Hiesige wird hier nicht zum herabgesetzten Preis verhandelt.

Von Hegel über Hitchcock zum Weißen Hai oder irgendwelchem Plunder – nichts ist vor Zizek sicher, aber uns zumeist eine Erkenntnis gewiß. Dabei quasselt dieser Mensch wie ein Hypertext, seine Rede-Performance ist schweißtreibend, sich im eigenen Redefluß selbst überholend, ohne sich dabei im Weg zu sein, ohne Punkt und Komma, mehrsprachig, mit vielen Kreuz- und Querverweisen, körperlichem Einsatz ...

Das alles ist eigentlich so, wie Pädagogik-Didaktik immer sein wollte, sich aber nie getraut hat. Zizek ist die Fortführung der Aufklärung mit anderen Mitteln. Nothelfer im Universitäts-Muff. Theorie kann Spaß machen.

Soweit so gut, zeigt uns der Film aber auch die vermeintlich „seriöseren“ Seiten seiner Existenz. Nicht nur Dampfplaudern, sondern politisches Engagement! Zizek ist Mitglied der Liberaldemokratischen Partei Sloweniens; lange Zeit saß er für sie im Parlament. In Büchern und Interviews nahm er immer wieder Stellung zum Krieg im ehemaligen Jugoslawien.

Darüber hinaus erinnert uns Zizek an etwas sehr Wichtiges: bestimmte kulturelle Praktiken haben immer auch bestimmte politische Implikationen, vulgo: Im ehemaligen Jugoslawien gilt beispielsweise nach wie vor als linksliberal – und zu Zeiten auch regimekritisch – wer Hitchcock-Filme guckt. Und selbst Punkmusik durfte für die politische Opposition noch einmal ihren ganzen subversiven Appeal zur Geltung bringen. Wann hat es das zuletzt bei uns gegeben?!

Ach ja! Kunst und Politik, lang ist es her. Manchmal erscheint Zizek wie von einem anderen Stern. Dazu gehört auch, daß er in einem Punkt so herrlich und unverschämt altmodisch ist: Er glaubt tatsächlich immer noch an das Wort, gesprochen, geschrieben, wie auch immer. Aber er weiß auch um die Macht der Bilder.

Christian Schlüter

Sa, 18. Januar, 20 Uhr, Lichtmeß

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