: „Ein Mahnmal gehört ins Zentrum der Stadt“
■ Lea Rosh, Vorsitzende der „Perspektive Berlin e.V.“, zur bisherigen Diskussion über ein Mahnmal auf dem Gestapo-Gelände
Zum dem mit Herrn Dingel vom Aktiven Museum geführten Interview (taz vom 29.4.89) nur ein paar Anmerkungen, um einige der gröbsten Falschinformationen richtigzustellen:
1. Die „Perspektive Berlin“ hat keine Lobby. Die Mitglieder unserer Bürgerinitiative können selbst denken und handeln. Das macht ja gerade eine Bürgerinitiative aus.
2. Wir bezahlen unsere Anzeigen von dem Geld, das wir aus Spenden der Unterzeichner bekommen. Außerdem stehen wir seit Anfang November samstags vor dem U-Bahnhof Wittenbergplatz auf der Straße (auch bei Regen und Wind, siehe Foto), um Geld und Unterschriften von Berlinern zu sammeln. Der „große Geldaufwand“ setzt sich also durchaus auch aus Ein- und Zwei -Markstücken von wenig betuchten Passanten zusammen.
3. Wir haben nicht „versucht“, Kontakt zum Regierenden Bürgermeister aufzunehmen. Wir haben uns förmlich bei ihm angemeldet, um unseren Vorschlag zur Gestaltung dieses Geländes vorzutragen. Na und? Ist das etwa nicht in Ordnung? Und inwiefern ist das „ellenbogenhafte Art“?
4. Wir wissen, daß die „Opfer als Opfer gleich sind“. Die Unterzeichner unseres Aufrufes arbeiten zum Teil seit vielen jahren über diese Thematik. Die haben diese Art von Belehrung wirklich nicht nötig. Auch haben nicht wir eine Diskussion über eine „Hierarchie der Opfer“ angefangen. Wir haben uns vielmehr erlaubt (siehe Interview mit Tilman Fichter vom 24.4.89), eine andere Meinung als die Damen und Herren vom Aktiven Museum zu haben. Halten zu Gnaden! Wir werden uns auch weiterhin erlauben, eine andere Meinung zu haben und darauf zu bestehen, daß der Mord an den Juden Europas eine andere Geschichte hatte als der Mord an den Euthanasieopfern oder den Zigeunern und daß jede Geschichte deshalb eine eigene, ganz spezifische Geschichte ist. Wir werden deshalb weiter über die Gestaltung dieses Geländes nachdenken, auch wenn die Damen und Herren vom Aktiven Museum meinen, daß das ihnen und sonst niemandem zukommt. Da dieser Verein nun schon mehr als sechs Jahre nachdenkt, denken wir nun einfach mit. Ist Denken denn reserviert?
5. Wir meinen, das Gelände gehörte schon einmal nur den Tätern. Die Opfer wurden aber gar nicht alle „Tausende von Kilometern“ abgeschoben. Da muß man, wieder mal, fein säuberlich trennen. Die Vernichtungslager für die Juden waren in Polen, ja. Aber die Kommunisten, Sozialdemokraten und Euthanasieopfer zum Beispiel landeten in Deutschland. Die Konzentrationslager waren nicht so weit entfernt. Oranienburg mit dem KZ Sachsenhausen ist dicht bei Berlin! Wir meinen, die Opfer dürfen nicht wieder abgeschoben werden. In den Konzentrations- und Vernichtungslagern waren sie lange genug. Das Mahnmal für die Opfer gehört ins Zentrum der Stadt. Aber wir stellen keinen Ausschließlichkeitsanspruch. Das heißt, wir sind der Meinung, auf diesem Gelände ist Platz für die Opfer und für Dokumentation von Tat und Tätern.
6. Ein Skandal ist nicht, was unser Geschäftsführer sagte. Der Skandal ist, daß bis zum Jahre 1989 kein Mahnmal für die ermordeten Juden aus den europäischen Ländern in unserer Stadt steht. 5,1 Millionen Juden aus 17 europäischen Ländern wurden ermordet. Europa ist weitgehend „judenfrei“. Und da muß man ein Mahnmal für die Opfer verteidigen und sich Unterstellungen (statt sachlicher Diskussion) gefallen lassen und sich streiten, ob ein Mahnmal überhaupt, wenn ja, dann wo, aber am besten weit weg...
Das ist deutsch. Die Täter dürfen sich die Hände reiben.
Lea Rosh
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