: Ein Leck ist im Piratenboot
AFFÄRE Die Piraten im Abgeordnetenhaus demontieren sich: Fraktionschef Christopher Lauer will einen Saboteur in den eigenen Reihen aufspüren – einige Kollegen sind empört
Pirat Fabio Reinhardt über seinen Fraktionschef Christopher Lauer
VON SEBASTIAN HEISER
Auf ihrer Sitzung am heutigen Dienstag droht der Piratenfraktion die Zerreißprobe. Fraktionschef Christopher Lauer vermutet einen Saboteur in den eigenen Reihen, der ihn durch Indiskretionen belasten will. Kurz vor dem Start ins lange Wochenende hatte Lauer per „Eilmeldung“ die Presse eingeladen und verkündet: „Ich frage mich gerade, für wen ich den Scheiß hier mache.“
Lauer erklärte, jemand aus der Fraktion habe Informationen aus seinem Privatleben gestreut – „mit dem klaren Ziel, meine Person im Vorfeld der Neuwahl des Fraktionsvorstands am 11. Juni zu beschädigen und diskreditieren“. Diese Informationen stünden „einem sehr kleinen Personenkreis zur Verfügung. Vier, fünf Personen maximal.“
Deshalb ging der Fraktionschef am Freitagabend selbst an die Öffentlichkeit und legte folgende Personalien offen: Seine Freundin sei die persönliche Mitarbeiterin der Abgeordneten Susanne Graf. Und die Mutter seiner Freundin sei die Pressesprecherin der Piratenfraktion.
„Haltloser Verdacht“
Jeglicher Verdacht der Vetternwirtschaft sei aber haltlos, so Lauer: Das ergebe sich schon durch den zeitlichen Ablauf. Er habe seine Freundin erst im Dezember 2012 auf der Weihnachtsfeier der Fraktion kennengelernt – da waren sie bereits als Mitarbeiterin und ihre Mutter als Sprecherin eingestellt worden.
Vor einem Monat jedoch wurde die Mutter von Lauers Freundin zur Leiterin der Pressestelle befördert – eine Entscheidung, die Lauer und seine beiden Kollegen im Fraktionsvorstand, Andreas Baum und Heiko Herberg gemeinsam trafen. Die Beförderung sei durch die langjährige Berufserfahrung der Mitarbeiterin begründet, so Lauer, mehr Geld bekomme sie nicht.
Diese Informationen seien nun „lückenhaft“ an die Presse weitergegeben worden, beteuerte Lauer. In den vergangenen Tagen habe es Anfragen mehrerer Medien gegeben. Nun soll die Quelle gefunden werden. „Sollte diese Person zu ermitteln sein, werden wir als Fraktionsvorstand sie gegebenenfalls dazu auffordern, die Piratenfraktion zu verlassen“, sagte Lauer. Er erläuterte, dass ein Mitglied auch mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden kann.
Auf der heutigen Sitzung soll die undichte Stelle gefunden werden – und zwar nichtöffentlich: „Es hat sich einiges geändert, seit wir ins Abgeordnetenhaus eingezogen sind“, so Christopher Lauer. „Wenn wir uns alle noch an die erste Sitzung der Piratenfraktion erinnern, dann hat zur Qualität dieser Sitzung nicht beigetragen, dass unter jeder Nase ein Mikrofon klemmte, im Zuschauerraum 50 Journalisten waren und man seine Stimme nicht mehr gehört hat, weil die ganze Zeit Auslöser geklickt haben.“
Wie die Kesselflicker
Einen Widerspruch zum piratischen Transparenzideal sah Lauer nicht: „Keiner hat einen Anspruch darauf, transparent mitzubekommen, wie wir uns in der Fraktion wie die Kesselflicker streiten.“
Piratin Susanne Graf kritisierte in ihrem Blog in deutlichen Worten die Pressekonferenz, über die sie ihr Fraktionsvorsitzender nicht vorab informiert habe: „Ich fühle mich verraten. Ich schäme mich für uns.“ Sie beklagte „Angstmache“ und brachte ihren Austritt ins Spiel: „Ich möchte kein Mitglied einer Fraktion sein, die ihren Mitgliedern damit droht, ihr Recht auf parlamentarische Teilnahme zu entziehen.“ Ihr Vertrauen in Lauer sei verletzt: „Christopher, ich akzeptiere dich nicht mehr als meinen Fraktionsvorstand.“
Ihr Kollege Fabio Reinhardt will die Quelle der Indiskretion nicht suchen: Er kritisierte auf Twitter Lauers Alleingang: „Der hat in dieser Angelegenheit leider nicht für die Fraktion gesprochen, sondern nur für sich.“ Der Abgeordnete Philipp Magalski hofft offenbar, dass die Diskussion sogar nützt: Er twitterte, die von der Verwandtenaffäre gebeutelte CSU habe bei Infratest einen Prozentpunkt zugelegt.