: Ein Landsmann verschwindet
Der deutsch-iranische Fußballer Ashkan Dejagah spielt bei Wolfsburg und in der deutschen U 21-Nationalmannschaft. Nun hat er seine Teilnahme am nächsten Länderspiel in Israel abgesagt – offenbar aus politischen Gründen
Lange Zeit wurde der Deutsche Fußball-Bund (DFB) dafür kritisiert, dass eine ganze Generation hierzulande aufgewachsener Spieler aus Migrantenfamilien sich für die Nationalteams der Heimatländer ihrer Eltern entschied. Das hat sich grundlegend geändert und so finden sich in der aktuellen U 21-Auswahl eine ganze Reihe von Spielern mit familiären Ursprüngen in anderen Ländern. „Alle diese Spieler fühlen sich als Deutsche, ihre Wurzeln spielen bei der täglichen Arbeit keine Rolle“, zeigte sich U 21-Trainer Dieter Eilts im letzten Jahr erfreut über diesen Trend.
Den für das U 21-Länderspiel in Israel am kommenden Freitag eingeladenen Wolfsburger Ashkan Dejagah hindern diese Wurzeln nun offenbar doch, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. Der deutsch-iranische Nationalspieler hat seine Teilnahme an dem Spiel gegen den von seinem Geburtsland geächteten Gegner abgesagt und damit heftige Kritik des DFB-Präsidenten Zwanziger sowie des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgelöst.
„Ich bitte um Verständnis, dass diese Gründe sehr persönlicher Natur sind und in meinem engsten familiären Umfeld begründet liegen“, erklärte Dejagah. Laut Spiegel Online will Dejagah nicht zum Spiel antreten, weil er Repressalien für Familienangehörige in Iran fürchtet, sobald er nach Israel einreist. Anders als dem Iraner Vahid Hashemian, den 2004 vor dem Champions League-Spiel des FC Bayern München gegen Maccabi Tel Aviv plötzlich Rückenschmerzen plagten, kam Dejagah keine Verletzung zur Hilfe. „Das hat politische Gründe. Jeder weiß, dass ich Deutsch-Iraner bin“, wird er in der Bild-Zeitung zitiert.
Dejagah, der 1986 in Teheran geboren wurde und in der Jugend für die Reinickendorfer Füchse sowie Tennis Borussia Berlin kickte, war vor der jetzigen Saison zum Ärger seines damaligen Clubs Hertha BSC zum VfL Wolfsburg gewechselt. Anders als VfL-Aufsichtsratschef Stephan Grühsem, der von einer „persönlichen“ und „unpolitischen“ Sache sprach, ist DFB-Chef Theo Zwanziger sauer über die Länderspiel-Absage. „Wir werden nicht hinnehmen, dass ein deutscher Nationalspieler aus Gründen der Weltanschauung seine Teilnahme an einem Länderspiel absagt.“ In Zwanzigers nachgeschobenem Eingeständnis „Dejagahs Entschuldigung zu schnell akzeptiert“ zu haben, ist deutliche Kritik an Trainer Dieter Eilts enthalten, der laut Dejagah „sofort Verständnis gezeigt“ habe.
Am schärfsten kritisierte der Zentralrat der Juden die Länderspiel-Absage. Für Präsidentin Charlotte Knobloch repräsentiert Dejagah als Nationalspieler die Bundesrepublik Deutschland. „Da diese im Bewusstsein ihrer historischen Verantwortung freundschaftliche Beziehungen zum jüdischen Staat unterhält, wäre es ein großer Affront, dieses antiisraelische Verhalten stillschweigend zu dulden.“ Sie erwarte deshalb, dass der DFB den Spieler aus der Nationalmannschaft ausschließe.
So weit wollte Theo Zwanziger nicht gehen, sondern zunächst das Verantwortungsgefühl des Spielers abfragen, „ das er als deutscher Nationalspieler zeigen muss“. Von diesem Gespräch hänge ab, ob Dejagah noch einmal für eine deutsche Nationalmannschaft nominiert werde.
In Schutz genommen wurde Dejagah von Grünen-Politiker Volker Beck. Wenn der Spieler oder seine Familie im Falle eines Einsatzes mit Repressionen durch den Iran rechnen müssten, dann sei sein Wunsch legitim. Doch auch Beck bezweifelte, ob es für Dejagah unter diesen Voraussetzungen eine Zukunft in der Nationalmannschaft gebe.
Ralf Lorenzen