: Ein Kinderbuchmythos auf der Bühne
■ Premiere von Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer im Theater für Kinder
„Haben Sie einen Ausweis?“, fragen die drei chinesischen Bonzen Jim und Lukas den Lokomotivführer, die mit Hilfe der schiefen Lokomotive Emma dringlich versuchen, den Kaiser von China zu erreichen. „Ohne Ausweis gibt es Sie gar nicht – amtlich gesehen! Und wenn es Sie nicht gibt, dann können Sie nicht zum Kaiser!“ Kleiner Chor: „Das ist logisch!“
Neben solch kindgerecht lustigen Absurditäten kennt die Adaption von Michael Endes Kinderbuch-Klassiker Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer durch das Theater für Kinder aber auch unheimliche Stimmungen. „Entsetzlich gemütlich und scheußlich schön“ (Drachenslang) etwa wird es, wenn die gelbe Drachin mit den grünen Punkten sich aufführt wie im Kindergarten und auf Kupfertöpfen herumdröhnt. Da sie nur ein Halbdrache ist – ihre Mutter war ein Nilpferd – darf sie nicht in die Drachenstadt. „Die reinrassigen Drachen lassen niemand hinein, der nicht so aussieht wie sie.“ „Wie sehen reinrassige Drachen aus?“ „Alle verschieden.“
So verrät sie aus Rache Jim und Lukas den Ort, wo die Kinder inklusive der Tochter des Kaisers von der Drachin Mahlzahn gefangengehalten werden: Kummerland, auf dem Grundes eines Vulkans.
Mehr wird vorerst nicht verraten. Bloß, das „Megahappyend“ des Buches wird es laut Regisseur Ulrich Mokrusch nicht geben. Auch die Verlobung zwischen Jim und Lisi (das ist natürlich die Prinzessin von China) fällt aus. Mokrusch war es wichtiger, die Geschichte eines Jungen, der sichtbar aus einer anderen Kultur kommt und seinen Weg in dieser Gesellschaft finden muß, nachzuvollziehen. In den 60er Jahren, als das Buch erschien, hätte es das Thema Rassismus in der heutigen Form noch nicht gegeben.
Ein anderes Thema, die Sehnsucht nach positiven Vaterfiguren beziehungsweise die Suche nach der eigenen Verwandtschaft und Identität, die in letzter Zeit häufig Gegenstand von Theaterstücken oder Filmen war, beschäftigt auch Jim Knopf – allerdings ohne daß er eine Lösung findet.
Doch dafür erhält er ein Stück Insel als neue Heimat, während bei der heutigen Premiere der Taifun in die erste Reihe spuckt und es geheimnisvoll aus einem Verlies raucht. Seine Suche aber wird erst zu Ende sein, wenn Jim die „Wilde 13“ trifft. Doch das muß man selber nachlesen – eine Bühnenfortsetzung gibt es nicht. K. Kellermann
Premiere: Do, 12. September, 16.30 Uhr, Theater für Kinder
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