■ Ein Junggrüner über seine Eindrücke von Politkarrieristen: Machos, Rambos und Hirnwichser?
Wuppertal/Aachen (taz) – In Wuppertal fand jetzt ein Männerkongreß der NRW-Grünen statt mit dem Titel „Zwischen Rambo und Märchenprinz“. Untertitel: „Politischer Diskurs zur Männeremanzipation“; Anspruch: „Experiment zur Veränderung“ sein. Bei Podiumsdiskussionen und Foren standen u. a. der Sprecher der NRW- Landstagsfraktion, Michael Vesper, und Wolfgang Schmitt, Bundestagskandidat mit sicherem Listenplatz, Rede und Antwort. Manuel Hoffmann (19), frischgebackener Abiturient, seit drei Jahren Parteimitglied, Mitgründer der grünen Jugendgruppe in Aachen und „männerpolitisch interessiert“, über seine Kongreß-Eindrücke.
taz: Mit welchen Vorstellungen bist du hingefahren?
Manuel Hoffmann: Ich hatte ganz stark erwartet eine Auseinandersetzung mit Mannsein, mit Männerpolitik, über die typische Männerhaftigkeit von Männern oder zum Beispiel über Männergewalt, wie man da politisch gegensteuern kann. Und ich habe gedacht, grüne Politiker würden sich mit solchen Fragen beschäftigen. Aber der Kongreß war einfach schlecht und schlimm. Die grünen Politiker haben nur um das Thema herumgeredet, haben sich gedrückt. Wie die ihr eigenes Verhalten verdrängen! Nichts hinterfragen! Ich war ziemlich resigniert.
Wolfgang Schmitt hat gesagt, er sei Karriere-Unternehmer in eigener Sache. Und sein Lieblings- Chauviwitz sei: „Was ist die Steigerung von Rinderwahnsinn? Frauenpower!“
Ja, der nimmt Frauen wohl nicht ernst, Feministinnen erst recht nicht, sieht sich im Kampf gegen das grüne Frauenstatut, die Quotierung. Ein sehr egoistischer Kerl, ein schlimmer Selbstdarsteller. Spricht von seiner eigenen postmodernen Philosophie – alles sei irgendwie Marktwirtschaft, auch sein persönliches Fortkommen als Politiker, seine Karriere. So werde ich hoffentlich nie. Da mache ich lieber vor Ort 'ne Fahrraddemo oder wie zuletzt eine Diskussion organisieren über Mann-Frau- Sein. Da kommen dann 25 Leute, und ich merke, da bewegt sich was dabei. So ein Männerkongreß ist dagegen reine Hirnwichserei, nur aufgesetzte Themen, belanglos, ohne Inhalte, ohne Ergebnisse. Geilheit nach Selbstdarstellung, aber überhaupt nichts an Aufbruchstimmung, und das bei Themen, die schon länger diskutiert werden, als ich lebe.
Die grünen Männer würden die Quote sicher liebend gern abschaffen, die Frauen stehen ja nur den eigenen Karrieren im Weg.
Glaube ich gar nicht mal mit dem Abschaffenwollen. Die nutzt denen doch prima als Alibi. Frauen sollen ja auch die Grünen wählen. Aber sie halten Frauen in der Politik für inkompetenter. Da sind grüne Männer genauso wie alle anderen, verschweigen aber, was sie denken. Nur auf dem Kongreß, als sie unter sich waren, da haben sie sich das zu sagen getraut.
Es gab ja auf dem Männerkongreß immer wieder mal Aufforderungen, die Politiker mögen über ihr Mannsein reden, über Gefühle, Zweifel, Schwächen, Unsicherheiten. Aber das wurde abgeblockt, auch vom Publikum...
...Das Publikum waren ja auch alles grüne Politiker, Ratsherren und Delegierte von irgendwas. Die spielen die Spielregeln voll mit. Die denken entweder alle so, oder sie lassen sich von der Rhetorik der anderen erschlagen. Ich hab' mich da ohnmächtig gefühlt. Wenn Frauen dagesessen hätten, die hätten sicher aufgeschrien über den Schwachsinn, den die Männer verzapft haben, ihre Spielchen, Eitelkeiten. Und ein Wolfgang Schmitt hätte sicher fünfmal „Du Chauvi“ oder „Blöder Macho“ gehört. Und das hätte er auch verdient gehabt.
Den grünen Veranstaltern ist auch wenig Eigenständiges eingefallen zum Thema Mannsein und Politik. Sehr bezeichnend, daß im Einladungstext vier Frauen zitiert waren und kein einziger grüner Mann.
Es gibt wohl keine grünen Männer-Stimmen. Das ist ja symptomatisch. Aber sie hätten wenigstens mehr Leute einladen können außerhalb des grünen Spektrums. Da gibt es ja in der Männerbewegung und -literatur sehr interessante, auch kontroverse Leute. Wäre bestimmt sehr beflügelnd gewesen, ein toller Kontrast. Aber so blieb es für alle sehr bequem. Vor ernsthafter Auseinandersetzung über ihre Männerrolle hatten viele dieser so starken Politiker offenbar Angst. Ich hatte den Eindruck, die private Auseinandersetzung mit sich selbst verkümmert bei denen, die sind gefühlsmäßig verarmt, beziehungslos zu vielen Menschen. Ist ja überall so in unserer Leistungs-Männergesellschaft und den festgeschriebenen Rollen. Dagegen was tun, das wäre sehr wohl Politik. Aber dann sagt der Wolfgang Schmitt, das Private hat mit Politik nichts zu tun. Solche Leute bestehen nur aus Kopf-Kopf, Machen-Machen. Können nie abschalten, wirken sehr unerfüllt, einseitig. Aber ich finde, Männer können durchaus lernen. Da gibt man nicht was ab, sondern erobert sich andere Lebensbereiche.
Jetzt gibt also ein 19jähriger, Entschuldigung: Jungschnösel doppelt so alten Politikern Tips fürs Leben. Das ist ja wunderbar!
Wenn die das mit Mitte 30 und älter nicht kapiert haben, ja, dann nehm' ich mir die Arroganz zu behaupten: können sie von mir was lernen. Interview: Bernd Müllender
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